USA setzen der Schweiz Pistole an die Brust

20minuten.ch (22. Juli 2011) – Mit den neuen Anklagen gegen CS-Banker machen die USA endgültig klar: Es ist Krieg, und wenn die Schweiz nicht rasch Kundendaten rausrückt, werden die Banken zerstört.

Was in der Nacht im US-Steuerstreit geschah, rechtfertigt kriegerisches Vokabular. Die USA klagten vier weitere aktive oder ehemalige Banker der Grossbank Credit Suisse (CS) an und zündeten damit sinnbildlich eine Atombombe über dem CS-Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz.
Die CS-Chefs schwenken die weisse Fahne und fordern, dass Bern kapituliert. «Wir können nur hoffen und beten, dass der Bund die US-Forderungen rasch akzeptiert», sagt ein CS-Banker.

CS hat kapituliert

Die CS wünscht sich eine Schweizer Kapitulation, weil dies Voraussetzung für einen Separatfrieden mit den USA ist. Kapitulation heisst: Die USA kriegen praktisch alle Namen von US-Steuersündern ausgeliefert, die Gelder auf Schweizer Konten versteckt hielten.

Die CS kann diese Forderung im Alleingang aber nicht erfüllen, damit würde sie Schweizer Recht verletzen. Sie betont, dass sie mit den USA kooperiert und dass es eine Finanzplatzlösung braucht.

UBS-Staatsvertrag, reloaded

Gefordert sind Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und ihr Chef-Unterhändler Michael Ambühl. Für sie stellt sich die Frage anders. Wie können die USA befriedigt werden, ohne dass es zum politischen Debakel kommt?

Eine Datenherausgabe mit Tausenden von Namen müsste wohl vom Parlament abgesegnet werden. Die bisher offerierte Amtshilfe im Rahmen des alten Gesetzes genügt den USA nicht.

Ein UBS-Staatsvertrag, reloaded, wenige Wochen vor nationalen Wahlen ist ein unwägbares Risiko für eine Politikerin mit einer schwachen Partei im Rücken.

Bundesgericht sei Dank

Da kam das Bundesgerichtsurteil vom letzten Freitag gerade rechtzeitig. Es spielt allen Kontrahenten in die Hände: Die USA fühlen sich bestärkt in ihrer Meinung, dass die Schweiz bereit zu jeder rechtlichen «Schandtat» sei; der Bundesrat kann hoffen, dass weitere Rechtsbeugungen vom obersten Gericht gedeckt werden; die Banken können ihre Kunden ans Messer liefern mit der Entschuldigung, dass die Schweiz die Welt mit dem Segen ihrer obersten Instanz neu betrachtet.

Unfähige Vergangenheitsbewältigung

Das «Verrückte» an der Geschichte ist die Unfähigkeit der Schweiz, ihre dunkle Vergangenheit aus eigener Kraft aufzuarbeiten. Wie bei früheren Grosskrisen – Nazi-Gold, Holocaust-Gelder, Potentaten-Gelder, Insiderdelikte – waren es meist ausländische Behörden, an vorderster Front fast immer die USA, die das Land in die Neuzeit katapultierten.

Nicht weiter schlimm. Schlimm aber ist, dass auf diesem Weg die nötige Selbstreinigung ausbleibt. Der Fall UBS zeigt dies exemplarisch. Während kleine Kundenberater mit einer US-Vergangenheit um ihre Existenz fürchten, bleiben die obersten Verantwortlichen der Bank verschont von Anklagen.

USA sei Dank

Die Schweizer Mentalität, eigenes Fehlverhalten so lange wie möglich zu vertuschen und dann, wenn es dank des Auslands offensichtlich wird, rasch zur Seite zu wischen, verspricht im aktuellen Fall nichts Gutes. Die fehlende saubere Aufarbeitung der Schwarzgeld-Ära, zu der eine klare Benennung der Verantwortlichen gehört, verzögert den nötigen Schritt ins neue Zeitalter.

In Zukunft zählen für die Banken nur noch Konkurrenzfähigkeit, Transparenz und Sorgfaltspflicht, nicht mehr Steuer- und andere Schlaumeier-Modelle. Der Finanzplatz sträubt sich dagegen, wie das immer mehr zum Fehlkonstrukt mutierende Konzept der Abgeltungssteuer zeigt.

Statt einen klaren Schnitt zwischen alter Bankgeheimnis- und neuer Transparenz-Finanzwelt vorzunehmen, hängen sich einflussreiche Banker an den Rockzipfel des alten Bankgeheimnisses. Die Gefahr ist gross, dass die Schweiz damit zweimal verliert: Sie zahlt viel für ihre Vergangenheit und muss später doch noch den europäischen Informationsaustausch-Standard akzeptieren.

Den USA kommt bei diesem Umbruch das Verdienst zu, den Schweizer Finanzplatz in die Neuzeit zu «bomben». Wenn der Krieg dereinst vorbei ist, wird man den Amerikanern dafür dankbar sein.

Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Haessig,glücklicherweise gibt es in der Schweiz solche Stimmen wie die Ihre, die es auf den Punkt bringen.Das Land“ Schweiz“ kann all diesen dankbar sein.Der damalige „Erfinder“ des Bankgeheimnis-Konstrukts ( u. später als Nazi-Symphatisant von seinen Landsleuten nicht mehr goutierte Nationalrat) hat zwar viel Wohlstand kreiiert,die Glaubwürdigkeit eines ganzen Landes-leider- nachhaltig geschädigt. Und was gibt es Erstrebenswerteres als glaubwürdig zu sein.Hoffentlich wird diese Seuche“kriminelle Steuerhinterzieher aller Länder-verachtenswerter Hort der hinterzogenen Gelder/Bankgeheimnis“eingedämmt.Lumpen wird es immer geben, ein Staat mit Kultur u.Geschichte wie die Schweiz sollte seine Gesetzgebung aber nicht nach denen ausrichten u. damit neues Böses gebären.Mit freundlichen Grüßen Dr.Mehrle

  2. Schreibfehler, „Sympathisant“ sorry PDM

  3. So kann man’s auch sehen – als Einäugiger, that is!

    Schon mal gehört, das sich Engländer „subjects of the Queen“ nennen, und dies mit stolzer Überzeugung? Im Gegensatz etwa zu uns Schweizern die – umgekehrt und mit nicht weniger tiefverwurzeltem & verpflichtendem Recht und Selbstwertgefühl – sich als der Souverän, als niemandem als sich selbst und der Gemeinschaft verpflichtete souveräne Bürger verstehen. Oder wenigstens bis vor kurzem sich so verstanden und meist auch verhalten haben – bis hinauf zum Bundesrat und zum Bundesgericht.

    Das war einmal. Wie in der 1.August-Rede „Ohne Selbstbestimmung keine Freiheit“, sowie in einer kürzlich erschienen parlamentarischen Anekdotensammlung in Erinnerung gerufen. Wie nachzulesen im BAZ-Leitartikel „Wir sind nicht der Irak: US wollen unser Bankgeheimnis brechen, Bundesrat taumelt“ (www.solami.com/bankingfuture.htm#taumelt). Und wie von Adolf Muschg in der Verfassungspräambel mahnend auf den Punkt gebracht: Frei nur bleibt wer seine Freiheit gebraucht.

    Die mit dem Bankdatenklau einhergegangene Hehlerei von Staats wegen gab Gelegenheit, in ausländischen Medien resonanzstark hinzuweisen auf einen auch hierzulande zusehends in Vergessenheit geratenen Grundsatz zum Verhältnis Bürger Staat.

    Zugegeben: Manch einem ist Glasnost kein Begriff mehr. Kaum bekannt ist ausserhalb der Schweiz auch das besondere Staatsverständnis vom souveränen Bürger, gläsernen Staat, und verfassungsmässig garantierten Schutz auch der wirtschaftlichen Privatsphäre (Art.13 BV; BVG-Entscheid i.S. FINMA, 5.1.10, E. 4.1). Das dem Staat anvertraute Tun & Lassen, ja dessen Existenzberechtigung gründet in des Bürgers Wohl. Womit erhellt, was in Art.8 ZGB festgeschrieben und davon abzuleiten ist.

    Grundsätzlich bestimmt der Souverän, d.h. der Stimmbürger den Steuertarif. Und soweit er einer Umkehr der Beweislast nicht zugestimmt hat, obliegt diese dem Staat. Mit der Steuererklärung erklärt er verbindlich was Sache ist, was von seinem Eigentum er mit dem Staat teilen will. Es obliegt sodann dem Staat zu beweisen, dass ihm mehr als deklariert zusteht. Bis zu diesem Nachweis, der zufolge des Hehlereiverbots nicht auf illegal beschaffte Daten abgestützt werden darf, erscheint der Begriff Diebesgut für vorenthaltene Steuerbeträge als verfehlt.

    Anwendbar ist er hingegen auf unrechtmässig erhobene Abgaben, sowie auf die Geldentwertung durch staatlich bewirkte Inflation.
    MaW: wer den gläsernen Bürger will, nimmt dessen Staats-Bevormundung in Kauf. Zulasten des Gemeinwohls untergräbt er damit auch den Verantwortungs- und Bürgersinn. Und er missachtet die historische Tatsache, dass die Berliner Mauer in westlicher und nicht in östlicher Richtung umgefallen ist – auch wenn bedenklichste Entwicklungen in der EU, USA, OECD, etc. das Gegenteil vermuten lassen.


Einen Kommentar schreiben