Bundesgericht rettet Finma vor Blamage

20minuten.ch (15. Juli 2011) – Der Gau ist abgewendet, die obersten Richter legitimieren die Herausgabe der UBS-Daten von 2009. Der Schweiz hätte ein «Fukushima» gedroht, argumentierte gar einer.

Im gut gefüllten Saal des Lausanner Bundesgerichts wurde heute rasch klar, woher der Wind blies. Die Mehrheit des 5er-Kollegiums fand die Aktion der Bankenaufsicht (Finma) vom 18. Februar 2009 zwar unschön. Aber weil damals wegen des drohenden Untergangs der UBS nationaler Notstand geherrscht habe, sei selbst ein unschöner Rechtsgriff der Behörde legitim.

Damit ist dieser historische Moment für die Schweiz rechtlich definitiv abgehakt. Mit der Herausgabe von 250 amerikanischen Kundennamen der UBS an die USA in einer Nacht-und-Nebelaktion opferte die oberste Bankenaufsicht des Landes damals das 75 Jahre alte Bankgeheimnis und leitete den raschen Zerfall dieser vermeintlich felsenfesten Spezialität ein.

Notfall ist Notfall

Die Finanzaufsicht (Finma) eilte damals der von den USA bedrohten UBS zu Hilfe, indem sie die illegale Datenherausgabe kraft ihrer Kompetenz anordnete. Sie wendete Artikel 25 und 26 des Bankengesetzes an, die ihr erlauben, bei einem unterstellten Institut kurzfristig das Steuer zu ergreifen, um dieses bei drohender Überschuldung in sichere Gewässer zu lotsen.

Heute waren sich alle Bundesrichter einig, dass die damals angerufenen Gesetzesartikel nicht für die Datenherausgabe und die damit verbundene Aushebelung des Bankgeheimnisses taugten. Doch wie vor zweieinhalb Jahren die Finma stellte sich an der heutigen Urteilsbegründung auch das Bundesgericht mehrheitlich auf den Standpunkt, dass im Notfall der Zweck die Mittel heilige.

Begründet wurde dies mit der sogenannten polizeilichen Generalklausel, die in der Verfassung verankert ist und zur Abwendung schlimmeren Übels angewendet werden kann. Zwar sei die Begründung der Finma mit den benutzten zwei Rechtsparagraphen falsch, der Entscheid, die Daten herauszugeben, sei aber richtig, lautete das Fazit der Richter.

«Fukushima» der Schweiz

Einer der fünf Richter zeichnete gar ein Bild, wonach der Schweiz ihr eigenes «Fukushima» gedroht hätte, hätte die Aufsicht anders entschieden. Wäre die Finma in diesem Notfall untätig geblieben, wäre das in etwa das Gleiche gewesen, wie wenn die Behörden in Japan nach dem Gau im AKW in Fukushima nicht alles unternommen hätten, um eine Kernschmelze zu verhindern.

Der Richter, der zur Günen Partei gehört, strapazierte damit den verfassungsrechtlichen Notstandsparagraphen. Die polizeiliche Generalklausel war für Gesundheits-Plagen gedacht und sollte Leib und Leben vieler Menschen schützen. Im Fall der 250 von der Finma-Datenherausgabe betroffenen US-Kunden ging es der Finma hingegen um die Rettung der UBS, einer gewinnorientierten Unternehmung.

SVP-Richter tanzt aus der Reihe

Hier hakte einer der zwei kritischen Vertreter des 5er-Gremiums ein, ein Zürcher Bundesrichter von der SVP. Ob die UBS ohne die Finma-Notaktion wirklich in den USA angeklagt und danach untergegangen wäre, sei alles andere als sicher, sagte er. Und selbst wenn, die UBS sei eine private Bank und somit aus Sicht der Schweiz kein schützenswertes Gut. Zur Abwendung des Konkurses einer solchen Privat-Institution könnten sich die Behörden nicht auf Notrecht stützen.

Es blieb die Meinung eines Aussenseiters. Die Mehrheit des Richterkollegiums befand, dass die Schweiz eine Anklage gegen die grösste Bank des Landes nicht heil überstanden hätte und deshalb zu Recht alles unternommen habe, um den schlimmstmöglichen Fall abzuwenden. Die Richter stützen damit die Argumentation des Bundesrats, wonach die UBS zu wichtig für die Schweiz sei, als dass sie unkontrollierbaren Rechtsrisiken ausgesetzt werden dürfe.

Der «Blick» brachte diese Haltung einst auf den Punkt. «UBS = Schweiz?», titelte die Zeitung Anfang Mai 2009, einige Wochen nach dem «Mauerfall» vom Februar mit der Finma-Datenherausgabe, als immer klarer wurde, dass der Bundesrat die UBS um jeden Preis schützen würde. Was im Rückblick quer in der Landschaft steht, ist einzig das Fragezeichen. Das kann man weglassen.


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