PARADIES PERDU
Vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses
255 Seiten, gebunden
€ 22,00 (D)
€ 22,70 (A)
sFr 38,90
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Paradies Perdu – Vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses
Preis für unabhängigen Journalismus 2010
Faktenblatt, Leseprobe, Vortrag, E-Book, Musterpräsentation, Spezialartikel in „Schweizer Revue“ (français, español)
In English: Synopsis, Extract, special article for „Swiss Review“
Auftritte Buchhandlung Bodmer Zürich, Kanzleischulhaus Zürich, Star TV, Tele Züri, 20 Minuten Online, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Bundeshaus, Hamburg Media School, Bank Kader Verein Zürich, Hochschule Luzern 2010
Worum dreht sich das Buch?
Die Schweiz und ihr Finanzplatz lebten 75 Jahre lang gut von ihrem Bankgeheimnis. Innert weniger Monate ging dieses am Ende des ersten Jahrzehnts des 3. Jahrtausends zu Ende. Verantwortlich ist in erster Linie die grosse UBS und ihr Topmanagement. Auf der Jagd nach Rekordgewinnen und -boni unterhielt die Bank in den USA ein Betrugssystem. Als die US-Justizbehörden dem Treiben auf die Spur kamen, flogen nicht nur die UBS-Machenschaften auf, sondern musste die Schweiz aus Furcht vor einer Anklage gegen ihr wichtigstes Finanzunternehmen ihr Bankgeheimnis hergeben.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
„Paradies Perdu“ geht der Frage nach, welche Informationen die Entscheidungsträger zu welchem Zeitpunkt besassen und wie sie mit diesen umgingen. Speziell im Fokus steht das Agieren der Spitze der UBS-Vermögensverwaltung in den entscheidenden Jahren bis 2007, als die Grossbank ihr betrügerisches Geschäftsmodell (S. 1 Ziffer 1 im Dokument „Deferred Prosecution Agreement“) in den USA ausbaute und perfektionierte. Unterstützt wurde sie dabei von den Chefjuristen der Bank. Zuletzt kritisiert „Paradies Perdu“ die massive und nie hinterfragte Hilfeleistung der Schweizer Bankenaufsicht und Landesregierung für die UBS und ihre Verantwortlichen.
Im November 2001 beantragte das Management der US-Vermögensverwaltung, wegen neuer Vorschriften rund um das Qualified Intermediary Abkommen (QIA, S. 121 im Dokument „Reeves-Report“) über die Bücher zu gehen. Es bestehe „die Gefahr, dass die Art und das Ausmass unseres Offshore-Geschäfts aufgedeckt“ würden, stand im Antrag. Doch die zuständige Geschäftsleitung lehnte Anpassungen ab.
Der Entscheid fiel mit Unterstützung von Marcel Rohner und Raoul Weil, die der UBS-Vermögensverwaltung ab Frühling 2002 als CEO respektive Leiter des grenzüberschreitenden Geschäfts (Offshore) den Stempel aufsetzten. Weil lancierte darauf das Strategieprogramm „TASTE for BUCKS“, das neben dem Fokus auf Grosskunden und der Steigerung der Beratungs- und Servicequalität insbesondere auch das „Streben nach Wachstum“ umfasste. „TASTE for BUCKS“ hatte Priorität für das gesamte Offshore-Banking der UBS inklusive jenem für die USA, obwohl sich die Grossbank mit der Unterzeichnung des QIAs zu steuerkonformem Geschäften mit amerikanischen Offshore-Kunden verpflichtet hatte.
Das Führungsgespann setzte die Zweibein-Strategie ihres Vorgängers Georges Gagnebin fort, einem Weggefährten von UBS-Übervater Marcel Ospel. Einerseits bauten die Schweizer ihre Präsenz weltweit aus und investierten Milliarden in ihr sogenanntes Onshore-Banking, mit flächendeckenden Filialnetzen in den USA und in den EU-Schwerpunktländern Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und England. Andererseits nutzte das Führungsduo die UBS-Ländergesellschaften quasi als Schutzschild, um dahinter das rentablere Offshore-Banking mit hauptsächlich unversteuerten Vermögen ausländischer Kunden voranzutreiben. Die wenig profitablen Onshore-Initiativen hatten somit nicht primär den Zweck, das Offshore-Banking abzulösen, sondern sie halfen mit, das wichtigste Geheimnis der UBS zu verbergen.
In jenen Jahren verfeinerte die UBS ihre Praktiken, sodass ausländische Behörden dem Treiben lange nicht auf die Spur kamen. Die interne Informatik entwickelte den sogenannten Secure Travel Access Service (STAS). Es handelte sich um ein passwortgeschütztes Computer-Zugangssystem, mit dem die UBS-Kundenberater auf ihren Auslandeinsätzen auf den Zentralrechner in der Schweiz zugreifen und die für ihre Kundengespräche benötigten Daten herunterladen konnten.
Nicht STAS war illegal, sondern dessen Verwendungszweck. Den UBS-Vermögensverwaltern fehlten die nötigen Lizenzen, um ihren Kunden in deren Heimat Produkte und Dienstleistungen zu unterbreiten. STAS half mit, die rechtswidrigen Beratungen der UBS-Vermögensverwalter im Ausland vor einer Enttarnung zu schützen. Zwecks Risikominimierung bauten die UBS-Informatiker einen „Selbstzerstörungsmechanismus“ ein. Mit dem Kurzbefehl „XTAS“ – X für Delete, TAS für Travel Access Service – konnten die UBS-Kundenberater den Speicherbereich mit den geschützten Daten und Programmen löschen. Zurück blieb eine unverfängliche UBS-Firmenpräsentation.
Die UBS setzte STAS flächendeckend ein und schulte ihre Vermögensverwalter systematisch für dessen Einsatz. Diese lernten zudem Methoden, um auf ihren verbotenen Reisen keinen Verdacht zu erwecken. An einem internen Seminar (S. 243 im Dokument „Reeves-Report“) erfuhren die Kundenberater im Herbst 2006 beispielsweise, dass die US-Abwehrdienste das Programm „Echelon“ benutzen könnten, das „weltweit Daten sammelt und diese auf Schlüsselwörter in verschiedenen Sprachen hin auswertet“.
Die Schulungen für US-Kundenberater und ein neues „Länderpapier USA“ (S. 145 im Dokument „Reeves-Report“, Version 2004) mit Vorschriften für Reisen und Beratungen waren eine Folge der Affäre „Birkenfeld“. Der Ex-UBS-Kundenberater Bradley Birkenfeld machte ab 2005 die Geschäftsmethoden der UBS im US-Offshoregeschäft intern zum Thema und forderte schliesslich von höchster Stelle Massnahmen, indem er auf den Status eines geschützten Whistleblowers pochte.
Um sich für den Fall Birkenfeld zu wappnen, forderte der damalige UBS-Konzernanwalt und spätere Präsident Peter Kurer Massnahmen zur Risikoeindämmung. Die US-Frontmanager legten Kurer am 22. Februar 2006 dar, dass Rechtssicherheit (S. 158ff im Dokument „Reeves-Report“) nur erreicht werden kann mittels vollständigem Reiseverbot und der Selbstdeklaration der Kundenberater, alle Regeln einzuhalten.
Die US-Manager schlugen weniger weitgehende Massnahmen vor, denen Kurer als oberster Rechtsverantwortlicher zustimmte. Kurers folgende interne Untersuchung der Geschäftspraktiken im US-Offshoreteam blieb oberflächlich. „Eine gründliche Abklärung hätte die begangenen Rechtsbrüche zutage gefördert“ (S. 39 Ziffer 15 im Dokument „Deferred Prosecution Agreement“), hielten die US-Ermittler fest. Diese Aussage akzeptierte die UBS-Spitze in einem späteren Schuldeingeständnis.
Im Sommer 2006 lehnten Marcel Rohner und Raoul Weil einen Verkauf, einen Spin-off oder ein Herunterfahren des US-Offshoregeschäfts ab, wie dies die US-Frontmanager beantragt hatten. „Oberste Verantwortliche, die um die Geschäftspraktiken in den USA wussten, bauten das US-Offshorebusiness weiter aus, weil es profitabel war“, steht in Gerichtsunterlagen (S. 35 Ziffer 4.C. im Dokument „Deferred Prosecution Agreement“), die von der obersten Führung der UBS unterzeichnet wurden.
Erst im August 2007 entschied die Grossbank, das US-Offshoregeschäft allmählich abzubauen. Nur einen Monat später eröffneten die USA erste Untersuchungen. Diese erreichten im Februar 2009 ihren Höhepunkt. Die UBS und das US-Justizdepartement einigten sich auf einen Vergleich, in dem sich die Schweizer Grossbank der „Teilnahme an einer Konspiration zum Betrug gegen die USA und ihre Steuerbehörde“ (S. 1 Ziffer 1 im Dokument „Deferred Prosecution Agreement“) schuldig bekannte und eine Rekordbusse von 780 Millionen Dollar akzeptierte. Gleichzeitig musste die Schweiz den US-Steuerbehörden Namen und Bankdaten von 255 US-Steuersündigern übergeben und brachte damit das eigene Bankgeheimnis zu Fall.
Trotzdem spricht die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) die Verantwortlichen frei. „Wir stiessen auf keinen einzigen harten Beweis, wonach die oberste Führung mit Peter Kurer und Marcel Rohner an der Spitze um die Machenschaften im US-Offshore-Geschäft wusste und diese bewusst tolerierte“, sagt Finma-Rechtschef Urs Zulauf. Die gefundenen „Führungsschwächen“ würden die Höchststrafe, den Entzug der Gewähr für einwandfreies Geschäften, nicht rechtfertigen. Stattdessen gibt die Behörde in ihrer Untersuchung der Bank als „komplexes Unternehmen“ (S. 18 im Dokument „Untersuchung der Finma“) die Schuld.
Es bleibt das Fazit: Einerseits betrieb die UBS ein Offshoresystem mit Geheimcomputern, Wachstumsinitiativen und Doppelstrategien, über dessen Rechtsrisiken die Spitze der Bank spätestens ab Februar 2006 im Bild war; andererseits schonte die Finma – und damit die Landesregierung, die den Datenabwurf von 2009 absegnete – die Verantwortlichen. Die Schweiz hatte sich entschieden, die UBS vor einer Strafanklage in den USA zu bewahren. Diese Hilfeleistung mit schwerwiegenden Folgen für das Land leistete sie, ohne die obersten Manager zu Schuldigen zu stempeln.