Christoph Blocher: «Die Geschichte wird böse enden»

20minuten.ch (27. Juni 2011) – Euro- und Dollar-Bestände der Nationalbank vernichten Volksvermögen und führen zu Steuererhöhungen, meint der SVP-Tycoon Blocher. Dass die Politik darob schweigt, sei skandalös.

17 Milliarden betragen die theoretischen Währungsverluste der Nationalbank (SNB) fürs laufende 2. Quartal wenige Tage vor Abschluss.

Dieses Minus ergibt sich, wenn die Bestände seit Ende März – 56 Milliarden Dollar und 92 Milliarden Euro – in etwa gleich geblieben sind und die Erträge auf diese Devisenanlagen sowie allfällige Gewinne auf den Goldbestand und beim UBS-Rettungsfonds ausgeklammert bleiben.

«Verluste sollte es gar nie geben»

Damit verkommt der 1,9-Milliarden-Gewinn vom 1. Quartal zum kurzen Zwischenhoch. Bereits 2010 resultierten unter dem Strich knapp 20 Milliarden Verlust, auch sie waren Folge der gigantischen Devisenkäufe der SNB mit dem Ziel, den Franken-Höhenflug zu bremsen.

Für SVP-Vordenker Christoph Blocher eine Katastrophe. «Verluste sollte es bei der SNB gar nie geben», sagt der Vizepräsident der Volkspartei im Gespräch mit 20 Minuten Online. «Immerhin kann die Bank gratis Geld schöpfen und gegen Zins ausleihen.»

Blocher wiederholt seine Kritik, die er in der «Albisgüetli»-Rede 2011, dem traditionellen Jahresauftakt der Zürcher SVP im gleichnamigen Quartier, erstmals geäussert hatte.

Die SNB habe sich verrannt und müsse von der Politik an die Kandare genommen werden. Freie Bahn soll sie nur noch bei der Geldpolitik haben, bestehend aus Geldversorgung und Geldwerterhaltung. Die Devisenkäufe gehörten hingegen unter politische Aufsicht.

Politik schweigt

Doch eine Diskussion über diesen Vorschlag komme nicht auf. «Da spielt die SNB-Führung mit Volksvermögen, verliert Milliarden, und die hohe Politik schweigt dazu», enerviert sich das Polit-Schwergewicht. «Das ist der wahre Skandal.»

Der Bundesrat und im Hintergrund die federführende Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hätten die entsprechenden SVP-Vorstösse mit fadenscheinigen Begründungen vom Tisch gewischt, sagt Blocher. Und auch die Kantone würden dem SNB-Treiben einfach zuschauen.

Tatsächlich fällt auf, wie zahm die obersten Finanzverantwortlichen der Kantone, die bei der SNB formell das Sagen haben, auf die neuerlichen Riesenverluste reagieren.

Der SNB soll das Leben nicht noch zusätzlich schwergemacht werden, indem die Kantone auf der traditionellen Gewinnausschüttung beharren würden, heisst es unisono von Zürich bis Solothurn, wo der Präsident der Finanzdirektorenkonferenz sitzt.

Höhere Steuern

Dabei geht der Verzicht ins Tuch. Von 1998 bis 2001 schüttete die SNB jährlich 1,5 Milliarden aus, 2002 waren es 2,5 Milliarden, 2003 2,8 Milliarden, 2004 gar 24 Milliarden in Form eines «Goldregens», als die SNB ihren Goldbestand abbaute. Seit 2005 sind es jährlich 2,5 Milliarden, aufgeteilt in 2/3 für die Kantone und 1/3 für den Bund.

Nun heisst es für die Kantone und den Bund, den Gürtel enger zu schnallen. Für Blocher ist das erst der Anfang. «Diese Geschichte wird böse enden», glaubt der Zürcher Politiker. «Die Bürger verlieren nämlich doppelt, einmal beim Vermögen, dann mit höheren Steuern in den Kantonen.»

Ein SNB-Sprecher wollte sich nicht zur Frage äussern, was die Folge anhaltend hoher Verlusten der SNB sein könnte. Als an der Börse kotierte Aktiengesellschaft unterliege man den geltenden Publizitätsvorschriften und sei deshalb mit Aussagen eingeschränkt.

Bund könnte geradestehen

Dass die SNB zwar eine AG sei, aber eine volkswirtschaftliche und nicht privatwirtschaftliche Aufgabe erfülle, sieht der Schweizer Buchhaltungsexperte Max Boemle als Kernproblem.

«Die SNB steckt im falschen Kleid», meint Boemle. «Die Rechtsform der Aktiengesellschaft macht für eine Notenbank schlicht keinen Sinn.»

Speziell ist, dass nur die SNB Geld schöpfen darf. Ebenso kann ihr eigenes Kapital ins Minus kippen. «Schlimm ist ein negatives Eigenkapital nicht, es ist einfach unschön», meint Buchhaltungspapst Boemle. «Der Bund müsste wie 1971 eine Garantieerklärung abgeben.»

Damals stand Bern gerade für das vergleichsweise kleine Loch in der Bilanz. Noch ist die SNB nicht so weit, ihr Eigenkapital-Polster dürfte nach dem neuerlichen Verlust schätzungsweise rund 10 Prozent aller Aktiven betragen. Vor Jahresfrist betrug die Quote allerdings noch über 20 Prozent.


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