Plagiatsvorwürfe: «Ich habe mich zu wenig selbst zitiert»
20minuten.ch (8. Juli 2011) – Der Ökonom Bruno S. Frey hat in Wissenschaftspublikationen nicht gesagt, wo er überall schon publiziert hat. «Das ist ein Riesenunterschied zur bewussten Täuschung», verteidigt sich Frey im 20-Minuten-Online-Interview.
20 Minuten Online: Herr Frey, warum haben Sie nicht mit offenen Karten gespielt und immer schön geschrieben, wo Sie was über Ihre Schiffsunglücks-Forschung publiziert haben?
Bruno Frey: Weil mir das durch die Lappen ging. Ich und meine zwei Co-Autoren wollten ein möglichst breites Publikum erreichen, deshalb publizierten wir unsere Titanic-Forschung in insgesamt vier Wissenschafts-Magazinen. Dabei habe ich den Überblick verloren.
Wie konnte das einem Viel-Publizierer und erfahrenen Wissenschaftler wie Ihnen passieren?
Es war ein langer Produktionsprozess, und manchmal macht man halt Fehler im Leben. Dafür habe ich mich bei den zuständigen Publikationen entschuldigt.
Sie haben auch vergessen, eine Titanic-Studie von 1986 zu erwähnen, die ein ähnliches Phänomen untersuchte.
Dort ging es um eine völlig andere Fragestellung. Warum überlebten mehr Passagiere aus der ersten Klasse als aus der dritten? Weil Vermögenden damals eher geholfen wurde als Armen, lautete die Antwort. Wir hingegen wollten wissen, warum mehr Briten als Amerikaner ertranken.
Und warum?
Weil Engländer damals noch die Gentleman-Regeln beherzigten und nicht um jeden Preis zu den Rettungsbooten drängten und andere Passagiere umrempelten. Und wir fanden heraus, dass die Crew, statt sich um die Passagiere zu kümmern, sich zuerst selbst in Sicherheit brachte.
Trotzdem hätten Sie die ältere Studie zitieren sollen.
Das war alles andere als zwingend.
Welche Lehre ziehen Sie aus Ihrem Fall?
Ich muss den Publikationsprozess enger begleiten.
Finden Sie die Aufregung übertrieben?
Ja. Der Journalist des deutschen Handelsblatts, der gestern breit darüber berichtete, schreibt viel Falsches. Und er bauscht mich zum Star-Ökonomen auf, damit er die nötige Fallhöhe für einen reisserischen Artikel hinkriegt.
Fühlen Sie sich unfair behandelt?
Ich frage mich, ob bei Deutschen Neid eine Rolle spielt. Dass ein Schweizer wie ich oft die Beststeller-Listen anführt, mag einigen im Nachbarstaat nicht in den Kram passen.