Für Collardi ist kein Eisen zu heiss

20minuten.ch (23. Juli 2012) – Die Zürcher Privatbank Julius Bär zieht zwar neues Geld an Land, verdient aber zu wenig. Chef Boris Collardi setzt seine Sturm-und-Drang-Expansion fort, als wäre die Finanzwelt die alte.

Boris Collardi weiss, wie man sich verkauft. Dank Zufluss von Kundengeldern spricht er im Halbjahresabschluss seiner Julius Bär von einem neuen «Höchststand» bei den verwalteten Vermögen. Und er weist einen um 13 Prozent gestiegenen Gewinn von über 220 Millionen aus.

Unter der glänzenden Oberfläche tauchen aber Fragezeichen auf. Wie immer strotzt es bei Bär vor Ausnahmefaktoren. «Adjustiert» ist eines der meistgebrauchten Wörter im Halbjahresbericht.

Diesmal steht eine Deutschland-Busse für das frühere Schwarzgeldgeschäft im Fokus, die zu einem Taucher vor einem Jahr geführt hatte. Rechnet man die Einmalzahlung heraus, dann sank der Bär-Reingewinn in den ersten 6 Monaten von 2012 um über 10 Prozent.

Schuld sind die sinkenden Preise

Das Minus zeigt, wo das Problem der Zürcher Privatbank mit ihrem stolzen Börsenwert liegt. Julius Bär leidet, ähnlich wie viele Konkurrenten, unter einer hartnäckigen Ertragsschwäche.

Von Januar bis Juni sanken die Einnahmen der Finanzgruppe mit Ablegern rund um den Globus um 4 Prozent, trotz einem um 5 Prozent höheren Bestand an verwalteten Privatkunden-Vermögen. Schuld sind die sinkenden Preise. Diese drücken auf die Marge.

Collardi färbt das Bild schön

Bär-Chef Collardi ist bisher eine Antwort auf die hartnäckige Ertragsflaute schuldig geblieben. Ihm gelingt es noch nicht, die Balance durch einschneidende Kostensenkungen wieder herzustellen. Vielmehr geht die Kosten-Ertrags-Schere weit auf. Lag diese zentrale Effizienz-Ziffer vor Jahresfrist noch bei knapp 68 Prozent, ist sie nun auf über 70 Prozent hochgeschnellt. Der Wert liegt weit über dem einstigen Zielband von Collardi von 60 bis 64 Prozent.

Mit seinen 70 Prozent beim Cost-Income nähert sich Bär den unbefriedigenden Werten anderer Privatbanken auf dem Finanzplatz Zürich. Selbst dieser Wert sieht besser aus, als er in Tat und Wahrheit ist. Würden die vielen Sonderfaktoren aus früheren Übernahmen weggerechnet, dann läge Julius Bär höchstens im Mittelfeld.

Umso erstaunlicher ist, dass Bär-Chef Collardi von «kontinuierlicher Kostenkontrolle» spricht. Diese sei der Grund, warum seine Bank trotz einer «verhältnismässig geringen Transaktions- und Handelsaktivität» der Kunden die Gewinnkraft «mehrheitlich aufrechterhalten» hätte.

Neopren-Collardi will die Welt erobern

Bär hätte als reine Vermögensverwalterin beste Chancen. Die Bank profitierte denn auch vom Ende bisheriger Konkurrenten. Das Institut zog Vermögensberater mit stolzen Kundenbeständen von der einstigen Clariden Leu an Land, die diesen Frühling im Mutterschiff Credit Suisse gelandet war.

Ausser Akquisitionsspesen haben diese Neu-Vermögen bisher aber noch nicht viel gebracht. Wie flau das Geschäft geworden ist, zeigt sich bei Bär an der besonders negativen Entwicklung des Handelsgeschäfts. Dort resultierte im 1. Halbjahr ein Minus von horrenden 39 Prozent.

All das perlt an Neopren-Collardi ab. Hohe Kosten hin oder her, der junge Privatbanken-Chef setzt seine Sturm-und-Drang-Strategie fort. Bis 2015 soll die Hälfte der verwalteten Vermögen aus Wachstumsländern stammen. Vor allem in Middle East und Fernost drückt Collardi aufs Tempo.

Für den Umbau der einst behäbigen Familien-Vermögensverwalterin in einen globalen Wealth-Manager ist für Collardi kein Eisen zu heiss. Derzeit prüft er die Übernahme des internationalen Private-Banking-Arms der US-Bank Merrill Lynch. Dass nicht einmal die übermächtigen UBS und CS mit solchen Coups auf einen grünen Zweig kamen, schreckt Collardi offenbar nicht ab.


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