Ex-Skyguide-Kader: «Längere Pisten bringen gar nichts»

20minuten.ch (19. Juli 2012) – Die wegen des Staatsvertrags geforderte Verlängerung der Westpiste sei keine Lösung, meint der Ex-Tower-Chef von Zürich-Kloten. Er setzt ein Fragezeichen hinter die Flughafen-Strategie.

Kaum war die Tinte unter dem Fluglärmvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland trocken, wurde der Ruf nach mehr Beton am Boden laut. Wie üblich am lautesten meldete sich Zürich-Kloten selbst. Der Chef der Zürich Flughafen AG, Thomas Kern, sagte an einem Mediengespräch vor Wochenfrist: «Eine Pistenverlängerung ist wegen dem Staatsvertrag zwingend.»

Kerns Argument: Der Lärmvertrag beschere dem Airport mehr An- und Abflüge aus neuen Himmelsrichtungen, die nur mit einem ausgebauten Pistensystem bewältigt werden könnten.

Kritik aus dem flughafenfreundlichen Lager

Widerspruch von Vertretern der betroffenen Flughafen-Anwohner folgte auf dem Fuss. Damit kann Kern leben. Das Powerplay mit den Lärmgegnern endete bisher immer zugunsten des Flughafens.

Doch nun meldet sich eine gewichtige Stimme aus dem flughafenfreundlichen Lager zu Wort. Andreas Heiter, langjähriger Kadermann der Flugsicherung Skyguide und dort Chef des Towers, lässt kein gutes Haar an den Forderungen des Airport-Chefs nach längeren Pisten. «Um in Kloten das Maximum herauszuholen, bringt eine Verlängerung der Piste 28 rein gar nichts», sagt Heiter zu 20 Minuten Online.

Der Flughafen will vor allem die Piste 28, genannt Westpiste, verlängern. Diese liegt in der Ost-West-Achse zwischen Kloten und Rümlang. Unter dem neuen Staatsvertrag mit Deutschland soll die Westpiste am Abend zur neuen Haupt-Landepiste werden. Gleichzeitig müssten Flugzeuge die Westpiste kreuzen, um auf einer anderen Pistean den Start zu gehen. Das braucht Zeit und birgt Risiken.

Kreuzen ist das Problem

Dieses Kreuzen der Pisten sei Klotens Engpass, meint Aviatiker Heiter, nicht die Kürze der Pisten. Entsprechend setzt der der Ex-Skyguide-Mann, der den Flughafen vor sechs Jahren verlassen hatte und in Pension ging, den Hebel bei den Rollwegen an. «Sinn machen kann der Bau von Schnellabrollwegen und die Vermeidung von Pistenkreuzungen». Hingegen brächten Verlängerungen bezüglich der Kapazität nichts.

Ein weiteres Argument der Flughafen-Lobby für längere Pisten lautet, dass Grossraumjets wie der Airbus A340 auf der heutigen Westpiste nicht landen könnten. «Mumpitz», sagt Andreas Heiter. «Grundsätzlich kann jedes Flugzeug gemäss Herstellerspezifikationen auf Piste 28 bei einigermassen normalen Bedingungen landen. Dies bestätigen auch erfahrene Piloten.» Zudem flögen nach 18 Uhr selten schwere Flugzeuge Zürich an.

Selbst das Problem eines «Überrollens der Piste nach einem verunglückten Landemanöver» könne anders als mit hartem Beton gelöst werden. Dazu müsse lediglich der Untergrund nach dem Pistenende «so befestigt werden, dass ein Einsinken in lockere Erde verhindert» würde, sagt Heiter.

Ausbau im Norden hilft nicht weiter

Bleibt die von den Flughafenchefs geforderte Verlängerung der Piste 32. Es handelt sich um die Haupt-Landepiste während des Tages, die unter dem Staatsvertrag in den Abendstunden vermehrt für Starts Richtung Norden, vorbei an Bülach, genutzt werden soll.

Eine Verlängerung sei auch hier von fraglichem Nutzen, so Heiter. «Ob eine gegen Norden verlängerte Piste 32 vermehrt für schwere Abflüge genutzt werden kann, ist meines Erachtens nicht gesichert.» Grund dafür ist der Stadlerberg als Hindernis, der den Anflug schwerer Maschinen verhindern könnte.


Einen Kommentar schreiben