McKinsey nistet sich bei Bank Vontobel ein

20minuten.ch (23. Februar 2011) – Die Zürcher Privatbank Vontobel stellt personelle Weichen. Der letzte echte Banker verlässt den Verwaltungsrat und wird durch eine McKinsey-Partnerin ersetzt.

Prominenter Abgang bei der Bank Vontobel. Wolfhard Graetz, die graue Eminenz im obersten Gremium der Bank Vontobel, verlässt das Unternehmen, wie die Bank heute zusammen mit einem Gewinn von 150 Millionen Franken fürs Jahr 2010 (+7 Prozent) mitteilt.

Der scheidende Deutsche war der letzte Vollblutbanker an der Vontobel-Spitze. Er wird ersetzt durch Clara Streit, eine 42-jährige Partnerin der bekannten Beratungsgesellschaft McKinsey. Streit habe sich «in ihrer langjährigen Beratungstätigkeit breite Erfahrung in der Finanzindustrie sowie eine ausgeprägte internationale Expertise» erarbeitet, schreibt die Bank in ihrer Mitteilung.

Die Macht von Mc Kinsey

Ein früherer McKinsey-Berater hat bereits heute eine wichtige Funktion bei Vontobel inne. Es handelt sich um Bruno Basler, der seit 2005 im VR der Bank sitzt und zudem Vizepräsident der einflussreichen Vontobel-Familienstiftung ist. Mit ihrem Aktien-Anteil kontrolliert die Familie Vontobel das Finanzinstitut.

Der Abgang von Urgestein Graetz aus dem VR erfolgt laut Insindern aus Protest gegen den neuen starken Mann bei Vontobel, Herbert Scheidt. Der 59-jährige Deutsche hat Vontobel die letzten Jahre als CEO geleitet und wird im Frühling neu das Präsidium der Bank übernehmen. Scheidt soll das Banken-Knowhow ersetzen, das durch den Auszug von Graetz verloren geht. Als CEO rückt der 41-jährige Interne Zeno Staub nach.

Graetz habe bereits letzten August bei Scheidts Wahlvorschlag zum zukünftigen Vontobel-Präsidenten seine Demission auf Ende der Amtszeit angekündigt, so ein Vontobel-Insider. Für den Eingeweihten ist klar: Der Deutsche protestierte damit gegen das eigenmächtige Vorgehen der Familie, die dem VR keine Wahl gelassen hat.

Zu diesem Zweck hätten Scheidt und der Ex-McKinsey-Mann Basler, ein Familienmitglied des gleichnamigen Zürcher Ingenieurhauses, eng zusammengearbeitet, sagte die Quelle der «SonntagsZeitung» vor ein paar Wochen. Scheidt und Basler sollen Patriarch Hans Vontobel, 94, die anvisierte Nachfolgelösung schmackhaft gemacht haben.

Überholte Corporate Governance

Das Kernproblem dabei ist, dass sowohl auf den Stuhl des Präsidenten als auch auf denjenigen des CEOs zwei Interne nachrücken. Aus Führungssicht ist das alte Schule und gefährlich. Fehlentwicklungen werden meist korrigiert, wenn neue Köpfe von aussen unvoreingenommen die Strategie prüfen.

Bei Vontobel ist die Dreibeinstrategie mit dem grossen Derivatgeschäft das Thema. Mit Privatbanking, Asset Management und Derivate-Produktefabrik spielt die mittelgrosse Vontobel Grossbank. Dabei wäre sie von der Herkunft her eine klassische Privatbank. Trotz Übernahmen liegt sie dort mit verwalteten Vermögen von knapp 30 Milliarden weit zurück.

Übernahmegefahr durch Raiffeisen

Hingegen hält Vontobel über 9 Milliarden Wertpapiere als Teil ihres Derivategeschäfts, das längst zum wichtigsten Gewinnlieferanten geworden ist. Dieser Posten entspricht mehr als der Hälfe der gesamten Bilanz. Auch wenn die Bank das Business beherrschen sollte, droht ihr bei einem 10-prozentigen Kurstaucher auf ihren Obligationenbestand ein Abschreiber von einer Milliarde.

Damit wäre das Eigenkapital von 1,5 Milliarden zu einem grossen Teil ausradiert und Vontobel müsste sich in die Arme eines kapitalstarken Partners flüchten. Dann käme wohl die Raiffeisen zum Handkuss, die bereits einen Minderheitsanteil an der Bank hält. Angesichts solcher Risiken wäre ein neuer Präsident von aussen angezeigt gewesen. Diese Chance hat Vontobel vertan.


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