Das Geheimnis der Swiss-Pünktlichkeit

20minuten.ch (4. Februar 2011) – Die Swiss holt einen Preis nach dem anderen, ihre Flüge gelten als äusserst pünktlich. Dahinter steckt ein alter Branchen-Trick.
Der Swiss-Airbus A320 mit Flugnummer LX 2020 und Ziel Madrid steht am Gate 71 in Zürich bereit. Alle Passagiere sind an Bord, blättern in Zeitungen oder dösen, unter dem wachen Blick der zen-mässig lächelnden Flight Attendands. Ein normaler Swiss-Morgen hat begonnen, es ist 7 Uhr 10. Gemäss Flugplan Zeit zum Wegrollen und Starten.

Um 7 Uhr 13 erschallen die Lautsprecher. «Meine Damen und Herren, hier spricht Ihr Pilot. Wir wären bereit, es fehlen nur noch ein paar Sandwiches. Da wir heute einen eher kurzen Flug haben, können wir noch ein wenig warten und dürften trotzdem pünktlich in Madrid landen.»

Viel «Luft» im Flugplan

Sandwiches als Verzögerungsgrund sind selbst für regelmässige Swiss-Gäste ein Novum. Doch das tut nichts zur Geschichte. Es geht hier um die Frage, wie es möglich ist, dass trotz verspätetem Abflug die flugplanmässige Ankunftszeit eingehalten werden kann.

Das ist mitnichten ein Einzelfall. Wer viel fliegt, dem fällt auf, wie viel «Luft» die Swiss und andere Airlines in ihren Flugplänen halten. Am Beispiel Zürich-Madrid von heute früh sei das ausgeführt.

«Die Sandwiches sind nicht eingetroffen»

Um 7 Uhr 22 meldet sich der Airbus-Kapitän erneut. «Die Sandwiches sind leider nicht eingetroffen. Doch: We have to be going now, wir müssen jetzt los.» Wenig später gibt eine der lächelnden Swiss-Flugbegleiterinnen die Flugzeit mit 1 Stunde und 45 Minuten durch.

Die Piloten steuern die Maschine zur Piste, geben Schub, beschleunigen, heben ab. Hoch übers Wolkenmeer in glühend-rotem Morgenhimmel mit goldenen, schneebedeckten Gipfeln, trockenen Schoko-Gipfeln und schalem Kaffee saust der Airbus Richtung Madrid-Barajas, wo er um 9 Uhr 13 aufsetzt und zum Gate rollt, wo das Anschnallzeichen um 9.25 Uhr auf die Minute genau erlischt.

Grosszügige Zeitreserven

Wieder einmal hat es die Swiss geschafft, die Maschine ist genau nach Flugplan am Ziel angekommen. Dass dies nur mit grosszügigen Fettpolstern klappt, zeigt die folgende Kalkulation:

Theoretisch verlässt der Airbus das Fingerdock in Zürich um 7 Uhr 10, rollt 5 Minuten zum Start, ist 1 Stunde und 45 Minuten in der Luft, landet in Madrid um 9 Uhr, rollt gut 10 Minuten zum Gate, wo er um 9.10 Uhr andockt. Reserve zum Flugplan: 15 Minuten.

Wind und Strecke können variieren

Ein Swiss-Sprecher begründet die offizielle Reisezeit von 2 Stunden und 15 Minuten mit denkbaren Verzögerungen. Je nach Strecke und Wind könne sich die Flugzeit um einiges verlängern.

Das scheint eine werbewirksame Ausrede zu sein. Nach zahlreichen Flügen in die spanische Hauptstadt und zurück ist klar, dass die Flugzeit meistens eher kürzer ist als heute früh. Die eingebauten Reserven sind somit vermutlich noch grösser.

Langjähriger Branchenstandard

Nicht nur die Swiss und nicht nur für Zürich-Madrid wird flugplanmässig geschönt. Der Trick ist langjähriger Branchenstandard. Ziel ist es, eine möglichst hohe Pünktlichkeit ausweisen zu können.

Offizielle Pünktlichkeits-Rankings gibt es zwar nicht mehr, sagt der Swiss-Sprecher. Doch gemessen werden die Zeiten selbstverständlich haargenau, damit jede Airline weiss, wo sie steht. Seine dürfte diesbezüglich zu den besten zählen, meint der Swiss-Sprecher.


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