Der zweifelhafte Ruhm des Alfred Heer

20minuten.ch (15. Februar 2010) – Der Zürcher SVP-Kantonalpräsident Alfred Heer, im Nebenamt Präsident des Bundes der Steuerzahler, hat es mit seiner Forderung nach Offenlegung von Bankkonten deutscher Politiker auf die Frontseite der renommierten «International Herald Tribune» geschafft. Grosse Ehre für den Zürcher oder geschickter Winkelzug des behördennahen US-Blatts im Steuerkrieg?

Die «International Herald Tribune», Schwesterblatt der renommierten «New York Times», reagiert mit ihrer Frontgeschichte auf einen gestrigen Auftritt Heers in der grossen deutschen Boulevardzeitung Bild am Sonntag. Heer sagte darin, dass die SVP eine Gesetzesänderung anstrebe, wonach die Bankdaten von deutschen Politikern mit hinterzogenen Geldern publiziert werden könnten. «A Swiss voice clamors for tax-data retaliation», titelt nun die« Herald Tribune», «Eine Schweizer Stimme schreit nach Steuerdaten-Vergeltung».

Der Aufhänger mit Alfred Heer dient für eine Zusammenfassung der jüngsten Zuckungen beim Untergang des alten Bankgeheimnisses. In einem langen Artikel berichtet die Zeitung über den Datenklau in Deutschland, über Kritiken in der Schweiz und in Deutschland am Kauf gestohlener Bankdaten und über einen Gerichtsentscheid in Liechtenstein, wonach eine Finanzgesellschaft ihren Kunden nach einem Datendiebstahl rechtzeitig informieren muss.

US-Zeitung ist Sprachrohr der Behörden

Nicht der Inhalt des Artikels ist spannend, sondern die Frage, warum die Herald Tribune ihre Story mit Heers «Aufruf zu den Waffen» mit einigen Tagen Verzögerung gross aufmacht und erst noch auf der Frontseite platziert. Das Mutterblatt New York Times war federführend im Kampf der Amerikaner gegen das Schweizer Bankgeheimnis rund um die UBS-Affäre. Die Zeitung hatte mehrmals Insiderinformationen aus den Ermittlungsbehörden publiziert, die den Druck auf die UBS und damit auf die Schweizer Behörden verstärkten.

Wenn nun in einer Zeitung mit weltweiter Beachtung prominent von «Schweizer Vergeltung» im Steuerkrieg die Rede ist, könnte diese Botschaft vor allem an die heimische Politikergilde gerichtet sein. Die New York Times und ihr internationaler Ableger Herald Tribune befanden nach der Einigung zwischen Schweiz und Amerika letzten Sommer, dass die Auslieferung von 4450 UBS-Kunden an die US-Behörden ein Klacks sei. Ursprünglich hatten die Amerikaner die Kontodaten von über 50 000 US-Kunden gefordert.

Traut den schlauen Schweizern nicht!

Nun signalisiert die Zeitung mit ihrer Frontstory über Alfred Heer, dessen Aufruf in der Schweiz letzte Woche wenig Wellen geworfen hatte, dass die Schweizer nicht freiwillig auf ihr Bankgeheimnis verzichten würden. Da die Schweiz und die USA derzeit Gespräche führen, ob die 4450 Kundendaten nach einem abschlägigen Gerichtsentscheid tatsächlich wie abgemacht ausgehändigt würden, kommt der Artikel gerade rechtzeitig. Passt auf vor diesen wehrhaften Schweizern, scheint die Herald Tribune den Regierenden zuzurufen, die geben nicht klein bei.

Dabei handelt es sich bei Heers Kampfansage um eine Ausnahme. In breiten Politikerkreisen ist der Widerstand gegen eine völlige Preisgabe des Steuerbankgeheimnisses längst erlahmt. «Ich muss einfach sagen: Diese Form von Bankgeheimnis ist Geschichte», sagt heute beispielsweise der Zürcher Finanzvorstand Martin Vollenwyder im «Tages-Anzeiger», und sprach aus, was politisch seit kurzem salonfähig ist.

Wie aber die Schweiz ihre Vergangenheit bewältigen soll und wie das neue Bankgeheimnis ohne Steuerkomponente, dafür mit dem von fast allen geforderten Schutz der Privatsphäre, aussehen sollen, weiss Vollenwyder nicht. Sein Votum ist somit lediglich eine Stimme mehr im derzeitigen Katzenkonzert, das im Vergleich zu den konzertierten Aktionen des Ausland, sekundiert von einflussreichen Medien wie der New York Times, nur ein kläglicher Abgesang auf goldene Zeiten darstellt.


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