Das Ende des letzten UBS-Kapitäns

20minuten.ch (12. Februar 2010) – Lange profitierte Ex-UBS-CEO Peter Wuffli von der Gnade des frühen Scheiterns. Er ging im Sommer 2007 von Bord, kurz bevor das Leck im UBS-Schiff sichtbar wurde. Gestern gab Wuffli den Rücktritt aus der Lobbygruppe «Freunde der FDP» bekannt. Die Geschichte eines Manager-Niedergangs in homöopathischen Dosen.

Marcel Ospel, Peter Kurer, Marcel Rohner und wie die alten UBS-Verantwortlichen alle heissen wurden zu den grössten Versagern der Schweizer Wirtschaftsgeschichte gestempelt. Nur einer kam lange glimpflich davon: Peter Wuffli, von Ende 2001 bis Mitte 2007 oberster Konzernlenker der Grossbank und damit eine der zentralen Figuren des Dramas. Als grosser Ausnahme der alten UBS-Seilschaft blieb es um Wuffli im Vergleich zur Kritik in Ospelschen Dimensionen relativ ruhig.

Als die Gefahr bereits gebannt schien, erwischte es den einstigen McKinsey-Mann doch noch. Am Donnerstag gab er seinen Rücktritt vom Präsidium der Lobbyorganisation «Freunde der FDP» bekannt. Den Schritt stellte Wuffli als verantwortungsvollen Akt dar, den er «nach reiflicher Überlegung und aus eigenem Antrieb» gefällt habe. Tatsächlich aber war der Druck innerhalb der FDP zu gross geworden. FDP-Präsident Fulvio Pelli bestätigte, dass es seit längerem Gespräche mit Wuffli über dessen Verbleib gegeben habe.

Gnade der frühen Entlassung

Der Verlust des Mandats wiegt für Wuffli viel schwerer, als es aufgrund der Bezeichnung den Anschein machen könnte. Vermutlich hatte es Wuffli seinem freisinnigen Netzwerk zu verdanken, dass er nach seinem Abschied bei der UBS die Chance für weitere Spitzenfunktionen erhalten hatte.

Anfang Juli 2007 ging der UBS-Konzernchef von Bord des UBS-Tankers – unter bis heute ungeklärten Umständen. Dass dieser mit voller Kraft ins Eismeer raste, erfuhr die Welt erst drei Monate später. UBS-Präsident Marcel Ospel sprach verharmlosend von «Eisblöcken, die das Potenzial hatten, das Schiff zu beschädigen». Ein Jahr später musste das Leck mit 68 staatlichen Milliarden notfallmässig gestopft werden.

Während Ospel und seine Restcrew die volle mediale Breitseite für das Desaster abkriegten, entpuppte sich der vorzeitige Abgang Wufflis als Gande der frühen Entlassung. Wuffli wurde in der Öffentlichkeit zur Randnotiz. Das änderte sich erst nach der Notrettung im Herbst 2008, als die Millionensaläre der UBS-Kapitäne zum öffentlichen Aufreger wurden.

Erneut erstickte die Kritik im Keim. Mit einem cleveren PR-Sololauf befreite sich Wuffli, der als damals 50-Jähriger viel zu jung für eine Frühpensionierung war, aus der Bedrängnis. Wochen vor Ospel und weiteren UBS-Verantwortlichen verkündete er prominent in der NZZ am Sonntag den freiwilligen Verzicht auf 12 Millionen Franken, die ihm von der noch UBS zustünden. Ob und, falls ja, wieviel Wuffli effektiv zurückzahlte, ist unbekannt. Vieles spricht dafür, dass er lediglich auf einen Teil seiner Abgangsentschädigung von geschätzten 24 Millionen Franken verzichtete.

Spitzenämter trotz Versagen

Trotz dem einzigartigen Versagen schien bei Wuffli der Weg für ein rasches Comeback geebnet. Der einstige NZZ-Journalist nahm Einsitz in den Verwaltungsräten der Baufirma Karl Steiner und der Finanzgesellschaft Partners Group, er amtete als Vizepräsident des Zürcher Opernhauses und der Managerschmiede International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne, all das neben dem Präsidium im Klub der «Freunde der FDP». Während sich Ospel nicht einmal mehr in seinen Lieblingsrestaurants vor schrägen Blicken und giftigen Kommentaren sicher fühlen konnte, blieb Wuffli gern gesehener Akteur in Spitzenämtern renommierter Schweizer Institutionen.

Wie sehr Wuffli selbst an eine Fortsetzung seiner Karriere in Amt und Würde glaubte, legen zwei weitere Medienauftritte nahe. Im Frühling 2009, rund ein halbes Jahr nach der Notrettung seiner langjährigen Arbeitgeberin UBS, sprach Wuffli mit dem Internetradio Swissinfo über seine Stiftung zugunsten der Dritten Welt. Er betrachte sich «als Gewinner der Globalisierung», meinte der einstige McKinsey-Sanierer, und fuhr fort: «Aus einem ethischen Gesichtspunkt betrachtet fühle ich mich verantwortlich für alle die, die nicht wie ich von diesem Prozess profitieren konnten.»

Ein halbes Jahr später liess sich Wuffli bei einer Spendenvisite in Madagaskar von einem Rundschau-Team begleiten. Auch diesmal äusserte sich Wuffli ausführlich zur Stiftung, blieb aber zur Finanzkrise und zum UBS-Niedergang zugeknöpft. Es gebe «keine einfachen Erklärungsmuster» und es sei «vielleicht noch zu früh, um die gesamte Situation zu beurteilen», sagte Wuffli in die Kamera. «Selbstverständlich trage ich meinen Teil der Verantwortung dafür, was konkret bei der UBS passierte», zeigte sich Wuffli im Fernsehen selbstkritisch. Um anzufügen, dass der steile Aufstieg und tiefe Fall an «eine innere Transformation» erinnere.

Erst das US-Steuerdebakel brachte Wuffli zu Fall

Damals galt das UBS-Schreckenskapitel als beendet. Die Schweiz hatte sich mit den USA über einen UBS-Sonderdeal geeinigt, die Rechnung sollten Tausende amerikanische Steuersünder bezahlen, die Vergangenheit schien bewältigt, eine neue UBS-Equipe blickte nach vorn. Dann trat ein, was niemand erwartete. Vor Monatsfrist zerpflückten die Gerichte den UBS-Deal, die Politik lief Sturm und die lange nur von den Linken geforderte PUK kam in Griffnähe. Jetzt dämmerte der FDP, dass sie mit ihrem «Freund» Wuffli einen Mühlstein um den Hals hatte. Um nicht weiter in die Tiefe gerissen zu werden, betrieb die Partei Schadensbegrenzung.

Damit ist Peter Wuffli zweieinhalb Jahre nach seinem unfreiwilligen Abgang von der grossen Bankenbühne in homöopathischen Dosen auf dem harten Boden der Schweizer Realität aufgeprallt. Seine Fehler – extreme Risikofreudigkeit gepaart mit miserablem Controlling – werden zwar kaum mehr grosse Schlagzeilen schreiben. Doch auf das freisinnige Establishment kann der letzte der UBS-Kapitäne nicht mehr zählen.

Ironie des Schicksals: Auf Wufflis Präsidentenstuhl der FDP-Freunde setzt sich mit dem Zürcher Flughafenpräsidenten Andreas Schmid einer, der sich nach seinem Rausschmiss bei der Reisegruppe Kuoni ebenfalls vor allem dank dem freisinnigen Netzwerk im Spiel halten konnte.


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