Clever gespielt, Deutschland!

20minuten.ch (6. Februar 2010) – Die Deutschen brauchen sich in Sachen Anti-Bankgeheimnis-Kampagne nicht vor den Amerikaner zu verstecken. Das seit einer Woche andauernde deutsche Medientrommelfeuer ist perfekt orchestriert. Welche Datenqualität die ominöse CD wirklich hat, spielt fast keine Rolle mehr.

Freitag kurz nach 13 Uhr, Zürcher Paradeplatz: Ein hoher Credit-Suisse-Banker meint im kurzen Gespräch, dass der Gipfel der deutschen Steuerperfidie wäre, wenn nächsten Donnerstag ein bekannter Unternehmer oder Manager Deutschlands mit einem Konto bei der Schweizer Grossbank öffentlich als Steuersünder abgestempelt würde. An jenem Tag wird die CS ihr Jahresergebnis 2009 vorlegen und vermutlich mit guten Zahlen aufwarten.

Just dann eine Bombe mit einem prominenten deutschen Steuerhinterzieher mit Geldern auf der CS platzen zu lassen, verspräche maximale Aufmerksamkeit, fährt der CS-Mann fort. «Die ganze Aufregung um die gestohlenen Daten hilft unserem einzigen ernsthaften Konkurrenten in Deutschland». Gemeint ist die Deutsche Bank, die gestern gute 5 Milliarden Euro Gewinn für das letzte Jahr präsentierte.
Viel Wirbel, wenig Infos
Ist alles nur eine Kampagne der deutschen Steuerbehörden gegen Schweizer Konkurrenten und den Finanzplatz? Sicher ist nur eines: dass nämlich die Ermittler im nördlichen Nachbarland clever auf der Medienklaviatur zu spielen verstehen.
Ihren Eröffnungszug tätigten sie letzten Samstag. In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) erschien der erste Bericht über eine vermeintlich gestohlene CD mit den Namen von 1500 deutschen Steuersündern, die nicht deklarierte Vermögen auf Schweizer Banken gebunkert hätten. Seither überbieten sich die deutschen Medien mit Sondersendungen, Diskussionsrunden und Headlines zum Steuerfall. Im Fernsehen wurde hitzig darüber debattiert, ob sich die Behörden mit einem Dieb ins Bett legen dürften.
Gleichzeitig jagten die Zeitungen, allen voran die «Financial Times Deutschland», nach dem Namen jener Bank, von der die Daten stammen sollen. Als schliesslich ein bekannter Recherchierjournalist der «Süddeutschen» aus München ab Mitte Woche die Credit Suisse an der Pranger stellte und von 400 Millionen Euro Zusatzeinnahmen fürs Steueramt sprach, war kein Halten mehr. Seither ist nur noch die Rede von den CS-Daten und einem der grössten Steuerfischzüge Deutschlands.
Die Amerikaner machten die Medien-Strategie vor
Nun können sich die deutschen Steuerfahnder zurücklehnen, ihr Kalkül ist aufgegangen. Die 2,5 Millionen Euro, die ihre politischen Chefs für die Daten aufwerfen, sind kein Thema mehr. Hingegen herrscht bei den potenziellen Steuersündern grösstmögliche Verunsicherung, Berichte über verängstigte deutsche Kunden von Schweizer Banken machen die Runde. Und im kleinen Nachbarland mit den hohen Bergen ist das totale Tohuwabohu ausgebrochen, was Deutschland nur recht sein kann. Denn zuletzt schlottern nicht nur die deutschen Schwarzgeldbürger vor möglichen Strafen, sondern das Offshore-Paradies Schweiz übergibt gleich selbst den Schlüssel zum jahrzehntealten Bankgeheimnis.
Wie man erfolgreich die Medien für solch einen Fischzug einspannt, haben die Amerikaner im Steuerfall UBS vorexerziert. Dort war es eine Journalistin der «New York Times», die regelmässig im Voraus Interna der US-Ermittler publizierte und damit die Abwehrstellung der Grossbank und der Schweiz schwächte.
So nannte die Reporterin Namen von Verdächtigten, kannte frühzeitig die Dimension des amerikanischen UBS-Offshore-Geschäfts und wusste vor allen anderen, dass sich die US-Behörden nicht mit dem «Steuermauerfall» vom Februar 2009 zufrieden geben würden. Vielmehr sollte in einem zweiten Angriff mittels Zivilprozess in Miami das Bankgeheimnis ein- für allemal zerstört werden, indem 52 000 amerikanische Steuersünder offengelegt würden. Von da an hatten die USA nicht mehr nur die UBS am Wickel, sondern die ganze Schweiz.
Freiwillig Datenoffenlegung statt kühles Blut
Interessanterweise sind es die Schweizer selbst, die mit kopflosen Reaktionen den ausländischen Behörden in die Hände spielen. Statt im medialen Donnerwetter kühles Blut zu bewahren, legen die Verantwortlichen ihre Karten frühzeitig und zur Freude des Gegenspielers auf den Tisch.
Fast alle wichtigen Dokumente, welche die Amerikaner gegen die UBS verwendeten, stammten von der Bank selbst. Im Fall des französischen Datendiebs der Bank HSBC lieferten die Berner Bundesbehörden den Franzosen Zusatzinformationen. Und beim deutschen Trommelwirbel ist es nun der Bundesrat, der wenige Wochen vor der entscheidenden Verhandlung über ein neues Steuerabkommen den verhassten automatischen Informationsaustausch ins Spiel bringt. Die Schweiz hat es innert kürzester Zeit geschafft, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen.


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