Alle 600 Kundendossiers sollen raus

20minuten.ch (26. Januar 2010) – Jetzt ist es offiziell: Sechs UBS-Kundendossiers sind bereits in den USA – 600 weitere Dossiers liegen bereit. Der Leiter der UBS-Steuer-Taskforce geht davon aus, dass diese den Amerikanern ausgehändigt werden.

Projektleiter Hans-Jörg Müllhaupt, der das «grösste Amtshilfegesuch aller Zeiten» (Bundesrat Merz) abwickeln soll, hat erste Daten den US-Steuerbehörden IRS ausgehändigt. «Wir haben den USA in sechs Fällen von UBS-Kunden die vollständigen Bankdaten übergeben», sagt Müllhaupt auf Anfrage. «In sämtlichen Fällen haben uns die betroffenen Kunden dafür ihr Einverständnis gegeben». Müllhaupt bestätigt damit Aussagen eines Kundenvertreters gegenüber 20 Minuten Online vom Montag, wonach bereits erste Bankunterlagen von UBS-Klienten in den USA lägen.

Das sei kein Widerspruch zur Aussage von Finanzminister Hans-Rudolf Merz vom Wochenende, wonach «physisch (…) noch keine Unterlagen übermittelt» worden seien, sagt eine Merz-Sprecherin. Die ESTV sei bezüglich den versandbereiten 600 Kundendossiers, bei denen kein Einverständnis der Kunden vorliege, vom Finanzminister angewiesen worden, auf eine Überstellung vorläufig zu verzichten. «Diese Daten, auf die sich Bundesrat Merz in Mediengesprächen bezogen hat, liegen nach wie vor in Bern», sagt Nadia Batzig.

600 Kundendossiers vor der Auslieferung

Doch damit ist die grosse Datenaushändigung längst nicht vom Tisch. Steuer-Taskforceleiter Müllhaupt bestätigt nämlich erstmals, dass auch alle übrigen Kundendossiers, bei denen ein gültiger Entscheid vorliege, bald in die USA gehen sollen. «Ich wüsste nicht, unter welchem Rechtstitel wir diese 600 Kundendaten zurückbehalten könnten», sagte Müllhaupt in einem Telefongespräch am Montagabend. «Deshalb gehe ich davon aus, dass wir die Dossiers den Amerikanern aushändigen werden.»

Müllhaupts Absicht entspricht nicht nur dem geltenden Recht, sondern auch der Abmachung mit den USA. Der Bund hat sich im Staatsvertrag vom August verpflichtet, innert eines Jahres rund 4450 Dossiers von amerikanischen UBS-Kunden offenzulegen. Dieser Prozess wurde durch das abschlägige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von letzter Woche gestoppt.

Urteil kommt zu spät

Doch für die versandbereiten 600 Kundendaten kommt das Urteil zu spät. Es handelt sich um Fälle, bei denen die Steuerverwaltung bereits zuvor auf Amtshilfe entschieden hat und die Betroffenen darauf verzichtet haben, den Entscheid gerichtlich anzufechten. Würde die Schweiz diese Daten zurückhalten, dann würde sie das Abkommen mit den USA verletzen. Keine Verletzung stellt hingegen das Gerichtsurteil dar, mit dem die Amerikaner theoretisch immer rechnen mussten.

Rechtlich gesehen bleibt dem Bundesrat somit nichts anderes übrig, als auf den Weg von Taskforce-Chef Müllhaupt einzuschwenken und grünes Licht für die Aushändigung der 600 Kundendossiers freizumachen. Nur: Die politischen Wogen würden danach hochgehen.

Verzicht auf Herausgabe gefordert

Der Berner Steuerrechtsprofessor Thomas Cottier, ein Gutachter des Bundes im US-Steuerstreit und vehementer Kritiker des Gerichtsentscheids von letzter Woche, fordert deshalb in der heutigen Berner Zeitung die vorläufige Zurückbehaltung der Daten. «Die Auslieferung der Daten würde erst erfolgen, nachdem das Parlament in der Sommersession zugestimmt hat», sagt Cottier.

Der Zürcher Anwalt Andreas Rüd, dessen Rekurs gegen die Notherausgabe von 250 Dossiers vom Februar 2009 kürzlich vom gleichen Gericht gestützt worden war, geht einen Schritt weiter. Rüd fordert einen endgültigen Verzicht auf die Herausgabe der 600 versandbereiten UBS-Kundendossiers. «Das Verwaltungsgericht hat klar gesagt, dass keine Daten geliefert werden sollen», sagte Rüd dem Tages-Anzeiger. «Daran soll man sich jetzt halten.»


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