«Die meisten Ständeräte sind Windfahnen»

20minuten.ch (9. Juni 2009) – Heute debattiert die kleine Kammer über die «Abzocker»-Initiative und deren Gegenvorschlag. Der Vater des Volksvorstosses Thomas Minder nennt die Ständeräte «Windfahnen» und erwartet wenig Support. Umso mehr Hoffnung setzt er aufs Volk.

Zeitlich perfekt geplant nimmt einer der bekanntesten Wirtschaftsanwälte Anti-«Abzocker» Thomas Minder ins Visier. «Minder-Medizin mit minderem Nutzen und riskanten Nebenwirkungen», titelte gestern die «NZZ», und Autor Rolf Watter zerzauste das Volksbegehren seitenfüllend.

Die Schweiz würde für ausländische Firmen unattraktiv, argumentiert der Wirtschaftsspezialist der renommierten Zürcher Kanzlei Bär&Karrer, der in diversen wichtigen Verwaltungsräten sitzt (u.a. Zürich Versicherung, Nobel Biocare, Syngenta) und in dieser Funktion auch für seine Klienten schreiben könnte.

Schweiz wird zur Unternehmenswüste, meint der Wirtschaftsanwalt

«Was es nicht braucht, ist eine auf alle Dauer von der Verfassung verschriebene Medizin, deren Nebenwirkungen Unternehmen entweder vertreiben oder zumindest verhindern», poltert Watter, und fährt schweres Geschütz gegen den Initianten auf. «Oder glaubt Herr Minder allen Ernstes, dass das halbe Dutzend kürzlich in die Schweiz verlegter Gesellschaften mit Kotierung in den USA hierher gezogen wäre, wenn diese ihr Management nicht so entlöhnen könnten, wie sie es für gut befinden?»

Mit einer Unterstützung der «Abzocker»-Initiative würde sich die Schweiz den Ast, auf dem sie sitzt, selbst absägen – zur hellen Freude von Konkurrenzstandorten. «Applaus ist der Initiative aber aus den Niederlanden und Luxemburg sicher, denn diese Länder werden entsprechend zu profitieren wissen, wenn hierzulande zur falschen Arznei gegriffen wird», zieht Watter Fazit.

Das Gegenteil sei wahr, kontert der Initiant

Der angeschossene Minder, der sich schon gestern auf den Weg nach Bern macht und heute die Debatte im Ständerat vor Ort verfolgen wird, schlägt Watter dessen Kernargument um die Ohren. «Als Novartis-Chef Daniel Vasella vor einiger Zeit mit einer Sitzverlegung ins Ausland drohte, überquollen die Online-Foren mit Protestgeheul. Das zeigt, was das Volk davon hält».

Es sei doch gerade seine Initiative zur Eindämmung von Boni und Saläre, die das ramponierte Image des Standortes Schweiz verbessern könnte. «In Frankreich wurden Manager übers Wochenende festgehalten, in den USA von der aufgebrachten Menge physisch bedroht, wir hatten Farbanschläge auf die UBS und Demonstrationen am Paradeplatz – all das zeigt doch, dass die hohen Löhne Spannungen in der Gesellschaft auslösen», sagt Minder. «Meint Anwalt Watter wirklich, dass solche Bilder und Nachrichten die Schweiz im Ausland gut aussehen lassen?»

Generalversammlung soll nicht nur VR-, sondern auch Geschäftsleitungslöhne bestimmen

Umstritten ist vor allem Minders Forderung, dass die Aktionäre an der Generalversammlung nicht nur die Löhne ihrer Vertreter, der Verwaltungsräte, beschliessen sollen, sondern auch die Gesamtkompensation der Geschäftsleitung, also der operativen Oberleitung. Damit, kontert Anwalt Watter, könnte der VR von Schweizer Unternehmen guten Managern kein verbindliches Lohnangebote mehr unterbreiten, sondern müsste diese jeweils auf die Ungewissheit des Aktionärsvotums hinweisen.

«Neue Kräfte kann man dann nur noch aus dem eigenen Nachwuchs oder aus einem Kreis älterer Spieler rekrutieren, die niemand mehr haben will», argumentiert Watter. «Beides mag einem Sozialromantiker wünschbar erscheinen, nur muss dann niemand meinen, man hätte auch nur eine entfernte Chance, je in der Champions League zu spielen.»

Weniger Köpfe genügen auch

Thomas Minder widerspricht auch in diesem Punkt. Die Aktionäre würden mit seinem Vorschlag die Gesamtsumme für die Geschäftsleitung beschliessen. «Auf wie viele Köpfe sich diese verteilt, ist Sache des Unternehmens», sagt Minder. Der VR könne halb so viele Topmanager verpflichten, wenn er dies für richtig hält, dann bleibt die doppelte Entschädigungssumme pro Kopf.

Damit werde gar eine zweite Fliege geschlagen. «Muss der VR haushälterisch mit der Entschädigung für sein Management umgehen, dann bleibt ihm weniger für überrissene Abgangsentschädigungen, wie wir sie bei UBS und anderen Grossunternehmen erlebten».

Im Volk spüre er Aufwind, sagt Minder, das zeige auch eine aktuelle Umfrage. Vom Ständerat erwartet er hingegen wenig Support. «Die meisten Ständeräte sind Windfahnen», sagt der Schaffhauser Unternehmer und Chef der Kosmetikfirma Trybol. «Die kippen am Schluss immer um.» Das kümmere ihn wenig, entscheidend sei das Volk. Denn seine Abstimmung werde früher oder später an die Urne kommen, «auch wenn gerade im Ständerat starke Kräfte auf Zeit spielen und eine Abstimmung bis 2012 hinauszuzögern» versuchten.


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