Freie Bahn für Grübel
20minuten.ch (17. März 2009) – Mit den gestern angekündigten Auswechslungen im Verwaltungsrat endet die Ära des gescheiterten UBS-Maestros. Das fast komplett erneuerte oberste Gremium der Grossbank dürfte seinem CEO-Star Oswald Grübel freie Bahn bei der Sanierung lassen.
Selbst sah sich Peter Kurer nie als Übergangsfigur. Der langjährige UBS-Konzernanwalt hatte das Präsidentensteuer vor elf Monaten von Übervater Marcel Ospel übernommen und traute sich zu, den Banken-Tanker aus dem Eismeer zu lotsen. Es blieb beim Versuch: Mitte April tritt der 59-Jährige Kurer vorzeitig in den Ruhestand.
Mit Kurer gehen drei weitere Verwaltungsräte von der Kapitänsbrücke, darunter als dienstältestes Mitglied Segelunternehmer Ernesto Bertarelli. Bereits letzten Herbst verliessen vier Mitglieder den zwölfköpfigen Verwaltungsrat (VR).
Nur drei Verwaltungsräte stiessen unter Ospel zur UBS
Nach dem Frühlingsputz wird somit auf dem UBS-Oberdeck eine praktisch vollständig erneuerte Crew verantwortlich für die Geschicke der Grossbank sein. Die seit Ausbruch der Krise nicht ausgewechselten Mitglieder – Vizepräsident Sergio Marchionne (gewählt 2007), der frühere ABB-Topshot und designierte Shell-CEO Peter Voser (2005) und Helmut Panke, Ex-CEO BMW (2004) – stammen zwar aus Ospels Zeiten, doch alle drei gelten als unabhängige Persönlichkeiten und sind erst wenige Jahre an Bord.
Hatte UBS-Übervater Ospel den VR als seine Machtbasis verstanden und dessen Mitglieder, so machte es zumindest den Anschein, eigenhändig ausgesucht, wird der zukünftige Präsident Kaspar Villiger, 68, einer zusammen gewürfelten Crew vorstehen.
Als bisheriges VR-Mitglied beim Rückversicherer Swiss Re hat er zwar Verbindungen zu einzelnen seiner neuen Kollegen, doch der neue VR der UBS wurde in den letzten Monaten aus der Not heraus mit frischen Kräften bestückt und stellt kein homogenes Ganzes dar, um die Bank mit einer veränderten Strategie zu neuer Blüte zu führen.
Von Top-Banker mit internationaler Erfahrung fehlt jede Spur
Viele der im letzten Herbst gewählten oder jetzt vorgeschlagenen VR-Mitglieder bringen zwar Finanz-Know-how mit, das sie sich in der Banken- und Versicherungswelt erarbeiteten. Doch eine starke Figur mit ausgewiesenem strategischem Sachverstand aus der globalen Finanzindustrie versucht man vergeblich.
So blickt keiner der einflussreichen Köpfe auf eine lange Karriere in obersten Chargen einer internationalen Bank zurück, wie dies beim neuen UBS-Konzernchef Oswald Grübel der Fall ist.
Sergio Marchionne gilt zwar als versierter Finanzmann, der Excel-Tabellen schneller interpretieren kann als Normalsterbliche einen Migros-Kassenzettel, doch der Italo-Kanadier machte seinen Weg nach oben in der Industrie und leitet heute der Turiner Fiat-Autokonzern.
Auch dem Aargauer Peter Voser fehlt Erfahrung im Banking. Voser war bei ABB Finanzchef und in dieser Rolle entscheidend für die Refinanzierung in der grossen Krise im 2002, bevor er zum englisch-holländischen Erdölmulti Shell wechselte.
Bankenerfahrung bringt dagegen Bruno Gehrig mit, der seit Herbst zum strategischen Obergremium gehört. Gehrig war einst bei der alten UBS, leitete deren Tochterbank Cantrade, wechselte ins Spitzengremium der Nationalbank, bevor er das Präsidium der Versicherung Swiss Life übernahm.
Aber auch Gehrigs beeindruckender Karriereweg vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass dem bodenständigen und bescheidenen Schweizer die Erfahrung in der Führung einer globalen Grossbank fehlt.
Carte blanche für Oswald Grübel
Die Schwäche des neuen Verwaltungsrats verstärkt die Machtposition von CEO Oswald Grübel. Der vor drei Wochen als Retter in der Not berufene Banker, der das Finanzgeschäft von der Pike auf gelernt hat und die Credit Suisse vor sechs Jahren sanierte, dürfte vom VR Carte blanche haben.
Grübel wird nachgesagt, bei der Auswahl von Kaspar Villiger als zukünftiger Präsident ein gewichtiges Wort mitgesprochen zu haben. Sicher ist, dass Villiger für die Aufgabe erst zusagte, nachdem ihn Grübel dazu ermuntert hatte.
Im Unterschied zum VR sitzen in Grübels Konzernleitung viele Manager aus der Ära Ospel respektive dessen langjährigen CEOs Peter Wuffli. John Fraser als Chef des Asset Managements gehört ebenso dazu wie der Asien-Verantwortliche Rory Tapner, Stabschef Walter Stürzinger und der Präsident des Americas-Geschäft Robert Wolf.
Leute der Vergangenheit sind auch Americas-CEO Marten Hoekstra und Risikochef Philip Lofts. Letzterer erfuhr bereits 2002 aus erster Hand von den riesigen Positionen der UBS in US-Hypothekenpapieren.
Lofts und Walter Stürzinger, der damals die oberste Verantwortung für alle Marktrisiken trug, hatten von internen Spezialisten eine eingehende Analyse jenes Problems erhalten, das die Bank fünf Jahre später fast in den Abgrund gezogen hätte.
Grübels Vorgänger Rohner zog Vertraute nach
Von Grübels zwölf Konzernleitungsmitgliedern sind nur drei echte Outsider ohne langjährigen UBS-Karrierweg. Markus Diethelm, der Nachfolger von Peter Kurer als Konzernanwalt, stiess 2008 aus der Geschäftsleitung der Swiss Re zur Grossbank; Investmentbank-Chef Jerker Johansson heuerte ebenfalls 2008 von Morgan Stanley an; und Franco Morra, der neue Schweiz-Chef, war bis 2005 Berater bei Boston Consulting, bevor er zur UBS wechselte.
Grübel-Vorgänger Marcel Rohner scharte in seiner Zeit neben ein paar neuen Gesichtern auch viele vertraute um sich. Bestes Beispiel ist die Wahl des 41-Jährigen Jürg Zeltner, der wie Rohner aus den Reihen des früheren Bankvereins stammt und bis 2008 das UBS-Geschäft in Deutschland aufbaute. Kurz bevor Rohner das Steuer Grübel übergab, beförderte er Zeltner zum Co-Head des Paradebereichs Vermögensverwaltung global (ohne Americas), zusammen mit Morra.
Gespannt warten die Kaderleute der UBS nun auf oberste personelle Weichenstellungen des neuen UBS-CEOs. Spekuliert wird über die Verpflichtung langjähriger Weggefährten Grübels aus dessen Zeit bei der Credit Suisse. Die Konzernleitung auf den Kopf stellen und mit vielen frischen Kräften bestücken wäre allerdings nicht ungefährlich. Grübel dürfte in nächster Zeit im obersten Gremium auch Manager benötigen, die mit der Bank und ihren Führungskräften vertraut sind.