«Schweiz hat gravierenden Fehler begangen»

20minuten.ch (19. Februar 2009) – Wenns um die UBS geht, gelten in der Schweiz offenbar andere Regeln. Ein «erschütterter» Rainer Schweizer, Professor für Staatsrecht an der Uni St. Gallen, ringt im Interview mit 20 Minuten Online um Fassung und Worte zu missachteten Gesetzen und Gewaltentrennung.

Der Bundesrat hat die Daten-Auslieferung von rund 300 amerikanischen UBS-Kunden erlaubt. Wird damit Recht ausgehebelt?

Rainer Schweizer: Zuerst einmal bin ich ganz einfach betroffen über dieses Vorgehen. Damit wird in hängige Verfahren eingegriffen. Neun Beschwerden sind in dieser Sache offenbar vor dem Bundesverwaltungsgericht hängig. Wenn tatsächlich auch die Daten dieser Kunden an die US-Behörden auf Anweisung der Finanzmarktaufsicht herausgegeben werden, ist dies eine klare Verletzung des Prinzips der Gewaltentrennung.

Der Bundesrat argumentiert, dass sonst die Existenz der UBS gefährdet gewesen wäre.

Hier geht es im Kern nicht um Missstände bei der UBS, sondern um die Rechte von rund 300 UBS-Kunden, die im Verdacht stehen, Gesetze verletzt zu haben. Deren Rechte werden missachtet.

Wie ist der Entscheid der obersten politischen Instanz zu werten vor dem Hintergrund, dass die Schweiz ein Rechtsstaat sein will?

Die Schweiz hätte, wenn sich alles so bewahrheiten würde, wie dies nun in der Öffentlichkeit geschildert wird, meines Erachtens einen gravierenden Fehler begangen. Sie hätte grund- und menschenrechtliche Garantien für ein faires Verfahren verletzt. Die Fälle müssten unbedingt von den betroffenen UBS-Kunden weitergezogen werden, einerseits ans Bundesverwaltungsgericht, ans Bundesgericht und schliesslich an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.

Was kann der Gang vor Bundesgericht noch bringen, wenn dieser Weg soeben durch das Vorgehen der Behörden als nutzlos aufgezeigt wurde?

Es geht darum, vom zuständigen richterlichen Gremium die Verantwortlichkeit der Schweiz abklären zu lassen.

Was bedeutet der Entscheid zugunsten der UBS und zulasten des Rechtsstaats für die Reputation der Schweiz in der Welt?

Ich will darüber kein Urteil abgeben.

Weil es dafür zu früh ist oder weil Ihr Urteil vernichtend ausfallen würde und Schaden anrichten könnte?

Weil ich erschüttert bin.


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