Als oberste Finanzaufsicht des Landes hatte die damalige Eidgenössische Bankenkommission (EBK) – die heutige Finma – die gesetzliche Pflicht, die Banken permanent zu überwachen. Weil die beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS infolge ihrer Grösse eine besondere Gefahr für das Schweizer Finanzsystem darstellen, existiert in Bern eine separate Grossbankengruppe, die sich ausschliesslich um die Kontrolle der beiden Riesen kümmert.

Doch die dafür eingesetzten Mittel erinnern an eine Schar Pappsoldaten, die gegen eine hochgerüstete Armee antritt. Pro Bank stand zu jener Zeit je ein etwa zehnköpfiges Team zur Verfügung, die Bezahlung richtete sich nach dem Berner Beamtenlohnsystem.

Den EBK-Leuten standen auf Seiten der Credit Suisse und der UBS Hunderte hochbezahlter Spezialisten gegenüber, die auf jede Frage eine Antwort parat hatten, die aber die gigantischen Verluste der Jahre 2007 und 2008 nicht verhinderten. Trotzdem zeigt Daniel Sigrist, Chef der Grossbankengruppe bei der EBK, bis heute Respekt vor den UBS-Risikomanagern. «Das sind keine Hasardeure, die den Kopf in den Sand stecken», sagte Sigrist in einem Gespräch im Januar 2008.

Die EBK-Leute wussten, dass Modelle nie ganz wahr sind

Wie war es möglich, dass die oberste Bankenüberwachung im Land, die das Risikomanagement der grössten Schweizer Bank seit Jahren unter die Lupe nahm, es beanstandete und zertifizierte, nie auch nur den geringsten Verdacht schöpfte? Für jeden Risikomanager im Banking war klar, dass grosse Klumpen eine besondere Gefahr darstellten. Hinzu kam, dass UBS-interne Spezialisten die riesigen Positionen im verbrieften US-Hypothekenmarkt frühzeitig aufs Tapet gebracht hatten.

Skeptischer als die Aufseher waren jedenfalls ein paar helle Köpfe bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Dass die UBS und die Credit Suisse längst viel zu gross für den Schweizer Finanzplatz geworden waren, bereitete ihnen zunehmend Kopfzerbrechen. Wie sollte die Notenbank zusammen mit dem Bund im Extremfall in der Lage sein, eine einbrechende Grossbank zu stützen, um einen Kollaps des Bankensystems in der Schweiz abzuwenden?

Doch der SNB waren die Hände gebunden. Zuständig für die Überwachung war die EBK. Und die war offenbar am Gängelband von CS und UBS. Dass sich die UBS-Chefs nicht gerne ins Geschäft reden liessen, erlebte Niklaus Blattner, bis 2007 SNB-Vizechef. In Gesprächen sei UBS-Konzernleiter Peter Wuffli ab 2005 zunehmend forsch aufgetreten, berichtet Blattner. Laut Wuffli habe die Bank ihre Risiken im Griff und eine erfahrene Führungscrew ans Ruder gesetzt.

Der Trick mit der Risikoklassierung

Einfach so konnten die UBS-Chefs allerdings die Risiken nicht erhöhen. Wie jede Bank unterstand auch ihr Institut der Auflage, jeden zusätzlichen Risikofranken mit Eigenkapital zu unterlegen. Da kam die Flexibilisierung der internationalen Spielregeln zuhilfe. Wie viel Eigenkapital eine Bank als Minimum benötigte, hing nun nicht mehr von der Bilanzsumme, also der Summe aller Aktiven respektive Passiven, ab, sondern von der Höhe der sogenannten «Risk-weighted Assets». Nun wurden nicht mehr alle Aktiven über denselben Leisten geschlagen, sondern je nach ihrer Gefährdung mit Eigenkapital unterlegt.

Ein Triple-A auch für undurchsichtige Konstrukte

Beispielsweise stellte eine Forderung gegenüber einer Regierung wie derjenigen Deutschlands oder der USA faktisch null Risiko dar, während ein ungesicherter Geschäftskredit für eine Textilmaschinenfirma, deren Bonität stark vom Zyklus der Branche und von der Konkurrenzsituation abhing, rasch vollständig ausfallen konnte. Bei strukturierten Kreditpapieren wurde die Geschichte komplizierter. So beinhalteten Collateral Debt Obligations (CDOs) – dieses Gemisch aus Wertschriftenpaketen – geringe und hohe Risiken. Waren das nun sichere Anlagen in der Bilanz einer Bank oder stellten sie eine besondere Gefahr dar, rasch an Wert zu verlieren?

Das Interesse der Banken war, dass die neuartigen Konstrukte, die sie selbst kreierten, als besonders sicher galten. Schliesslich wuchs der Berg dieser Papiere stetig, den der weltweite Kreditboom mit billigem Geld für jedermann und für jeden Zweck erst möglich gemacht hatte.

Auch die EBK war er im Nachhinein klüger

Die gierigen Bonusbezieher an der UBS-Spitze waren somit nicht allein für die Exzesse verantwortlich. Auch in den Amtsstuben der Aufsichtsbehörden, wo die Skepsis zum Job gehört, kam die nötige kritische Haltung im Verlauf der Boomphase abhanden. So erkannte EBK-Grossbankenchef Daniel Sigrist das Kernproblem erst im Rückblick: «’Size matters‘, die absolute Grösse spielt eine Rolle», sagte er im Januar 2008. «Die Realität hält sich nicht an Modelle. Deshalb gibt es nicht das allein selig machende Risikomanagementinstrument.» Auch «scheinbar althergebrachte nominelle Limiten» könnten sinnvoll sein. Die Einsicht des EBK-Topshots kam zu spät.


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