Abgestürzter Banker: Oberst Hummlers letztes Gefecht
Zum zweiten Mal sind Konrad Hummler und seine Partner diese Woche einem New Yorker Gerichtsprozess ferngeblieben. Man könne nicht riskieren, von den USA zur Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses gezwungen zu werden, begründeten Hummler&Co. ihre Renitenz.
An der persönlichen Notlage ändert der Widerstand nichts. Konrad Hummler, 59, von den Medien bis vor kurzem als einer der grössten Banker des Landes gefeiert, kann die Schweiz nicht mehr verlassen. Sonst drohen ihm Verhaftung und Auslieferung nach Übersee.
Keine geliebten Skitouren mehr im benachbarten Österreich, keine gepflegten Kulturreisen nach Deutschland, schon gar keine Teilnahme mehr an Meetings von Thinktanks in den USA: Der Bewegungsspielraum hat sich für das einstige Aushängeschild des legendären Swiss Private Bankings auf die inländischen Achsen Basel-Chiasso und St.Margrethen-Genf verkürzt.
Durchhalteparolen im engsten Kreis
Der einstige Oberst der Schweizer Armee macht gute Miene zum bösen Spiel. In seinem engsten Kreis gibt Hummler Durchhalteparolen aus, in der Öffentlichkeit äussert er sich mittels Communiqués, die klarmachen sollen, worum es wirklich geht: die Schweizer Autonomie.
Das eigene Recht verteidigen, lautet der Schlachtruf. Für die einen wird Hummler damit zum letzten aufrechten Staatsmann, den die Schweiz noch hat, die anderen sehen in ihm einen uneinsichtigen Anhänger der untergegangenen Schwarzgeld-Ära. Schwarz oder weiss, Topp oder Flopp – dazwischen gibts bei Hummler nichts mehr.
Hummler als letzter Wilhelm Tell
Der St.Galler, der den Freisinnigen nahesteht und nach wie vor im obersten Machtgremium der Neuen Zürcher Zeitung sitzt, wird zum Stellvertreter für jene grössere Schlacht, in der sich die Schweiz seit Ausbruch der Finanzkrise vor 5 Jahren befindet.
Seither werden Steuersünder in Europa und den USA statt geschont gnadenlos gejagt. Als Mittel zum Zweck haben sich die Banken und ihre Kundenberater entpuppt. Nimmt man diese ins Visier, dann kommt man rasch an die gesuchten Daten der eigenen Steuerpflichten heran.
Bankgeheimnis als löchriger Emmentaler
Das Bankgeheimnis als vermeintliches Bollwerk hat sich als löchriger Emmentaler entpuppt. Konfrontiert mit der Wahl, die Kunden zu verraten oder selbst im Gefängnis zu landen, haben sich Land und Banken entschieden, den Daten-Tresor zu öffnen. Damit sind die gejagten Topbanker aus dem Schneider. Mit den Langfristfolgen können sich die Nachfolger herumschlagen.
Dass die Zeche die ausländischen Kunden zahlen, die jahrzehntelang die Banken reich und träge gemacht haben, dagegen stellt sich fast nur Hummler. Allen anderen Bigshots des Finanzplatzes – die Chefs von UBS, CS, Julius Bär und viele mehr – war das eigene Hemd näher.
Nicht nur der gute Mensch vom Appenzell
Darin liegt denn auch die Faszination Hummlers. Wie einst Wilhelm Tell lehnt er sich allein gegen fremde Richter auf und bringt damit urschweizerische Saiten zum Klingen. Das eigene Recht in den eigenen Händen behalten – es ist die Haltung, welche die kleine Alpenrepublik gross gemacht hat und welche nun der bedrängte Banker Hummler hochhält.
Wie bei fast allen Menschen erfolgt auch Hummlers grosser Einsatz nicht aus purer Nächstenliebe. Der Wegelin-Chef mit Wohnort in der idyllischen Appenzeller Berg- und Hügelwelt verspielte sein Lebenswerk, als er US-Steuersünder bei sich aufgenommen hatten, die von der UBS auf die Strasse gestellt worden waren. Hummlers strategischer Entscheid vor vier Jahren hat sich als katastrophaler Fehler herausgestellt. Manche reden gar von einer gigantischen Dummheit.
Schmerzvolle Niederlage
Für einen Erfolgsmenschen wie Hummler muss die totale Niederlage besonders schmerzvoll sein. Es ekle ihn, sagte er einmal, nachdem er seine Wegelin notfallmässig der Raiffeisen-Gruppe veräussern und die zur toxischen Altlast mutierten US-Kunden behalten musste, wegen denen der Banker nun vor einem US-Richter anzutraben hätte.
Wäre Hummler ehrlich zu sich, dann müsste er sich eingestehen, dass seine Misere nicht die Schuld der USA ist, sondern seine eigene. Was auch immer der Grund für den US-Offshore-Feldzug gewesen sein mag – Gier, Machttrieb, Überheblichkeit oder einfach nur getrübte Weitsicht –, das Resultat bleibt das Gleiche. Konrad Hummler ist gescheitert.