Nationalbank: Nimmt die Politik die SNB an die Leine?

20minuten.ch (17. April 2012) – Bei der Besetzung der SNB-Spitze zeichnet sich ein politischer Doppelschlag ab. Neben dem Chef der Finanzverwaltung fürs Direktorium soll eine Person aus der Politik das Bankrats-Präsidium übernehmen.

Die Nationalbank (SNB) steht vor entscheidenden personellen Weichenstellungen. Am Mittwoch soll der Bundesrat den dritten Mann ins Direktorium wählen. Damit wäre das operative Spitzengremium nach mehreren Monaten wieder komplett.

Der dritte Mann könnte laut «NZZ am Sonntag» der Chef der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Fritz Zurbrügg, sein. Dessen Name warf keine grossen Wellen. Offenbar gilt Zurbrügg als geeignet für das Amt.

Widmer-Schlumpf liess Bankrat schmoren

Im Schatten dieser Wahl zeichnet sich eine andere ab, die viel brisanter ist. Es geht um die Spitzenfigur im Bankrat und damit um die formell höchste Position bei der Nationalbank. Diese entspricht dem Präsidium bei einer Geschäftsbank, allerdings mit eingeschränkten Befugnissen.

Auf den Stuhl des Bankratspräsidenten soll sich laut einer SNB-Quelle ein Politiker setzen. «Die Nationalbank hat sich in den letzten Jahren von der Politik emanzipiert, nun wird sie wieder verpolitisiert», bedauert der Insider.

Die Fäden bei der Bestimmung des neuen Bankratspräsidenten zog Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Die Finanzministerin hat laut der Quelle seit dem Abgang von Philipp Hildebrand den Bankrat lange im eigenen Saft schmoren lassen.

Als Bern schliesslich signalisierte, einen Neuen zum SNB-Bankratspräsidenten küren zu wollen, warf Amtsinhaber Hansueli Raggenbass schmollend den Bettel hin. Zuvor hatte Raggenbass stets betont, dass er trotz den Wirren um Hildebrand und dessen Dollar-Transaktionen im Amt bleiben wolle.

Unabhängigkeit wurde zum Gütesiegel für gute Notenbankpolitik

Eine Doppelpackung Zurbrügg/Politiker kehrt einen Trend bei der Besetzung der Spitzenämter bei der Notenbank um. Mit einem neuen Gesetz und Figuren wie dem Ex-Hedgefund-Manager Hildebrand an der Spitze hatte sich die SNB zunehmend von der Politik emanzipiert.

Experten begrüssten die Entwicklung. Die Notenbank könne ihre Funktion als letzten Rettungsanker in Bankenkrisen und Hüterin der Inflation nur dann zum Wohl der ganzen Gesellschaft ausüben, wenn sie unabhängig von politischen Einflussfaktoren agieren könne.

Die Unabhängigkeit der SNB wurde über die letzten Jahre zum Gütesiegel für die schweizerische Notenbankpolitik. Sie bewährte sich in der Finanzkrise von 2008, als die SNB bei der Rettung der UBS die Fäden zog.

Blocher will SNB an die kurze Leine nehmen

Mit ihren Milliarden-Interventionen im Euro-Devisenmarkt zogen sich Hildebrand & Co. dann aber den Ärger der SVP und ihres Aushängeschilds Christoph Blocher zu. Als Blocher Hildebrand über dessen Dollar-Käufe stürzen liess, war es um die frühere Unabhängigkeit der SNB geschehen.

Mit dem Hildebrand-Crash kriegte die SVP Aufwind für ihre Forderung, die SNB an die kurze Leine zu nehmen. Blocher-Widersacherin Eveline Widmer-Schlumpf wehrte sich lange dagegen, indem sie Experten den Wert einer unabhängigen Nationalbank beteuern liess.

Mit der Wahl eines Politikers zum Bankratspräsidenten gibt die Finanzministerin nach. Wie überall sind es auch bei der SNB die Köpfe, die den Unterschied ausmachen. Ein Politiker auf dem obersten Stuhl macht die SNB empfänglich für politische Forderungen. Das verspricht nichts Gutes.


Einen Kommentar schreiben