Hildebrands Nachfolge: Kann Jordan die SNB beruhigen?

20minuten.ch (10. Januar 2012) – Nationalbank-Vize Thomas Jordan übernimmt von Philipp Hildebrand. Jordan ist eine klassische Nummer zwei: technisch gut, rhetorisch bescheiden. Genügt das?

Es brennt lichterloh bei der SNB. Mit dem Rücktritt von Philipp Hildebrand steht die Notenbank faktisch kopflos da. Wie sie ihre Führungskrise bewältigen will, ist unklar. Gefordert ist jetzt die Nummer zwei: Thomas Jordan, Vize der SNB und bisher Stellvertreter von Hildebrand. Jordan übernimmt das Steuer von Hildebrand.

Jordan, 48, gilt als fähiger Technokrat. Während Hildebrand die Entscheide der SNB eloquent in der Öffentlichkeit erklärte, stellte Jordan das technische Wissen im Hintergrund sicher.

Das ist Jordans Stärke – und gleichzeitig seine grösste Schwäche. Jordan gilt als Technokrat, seine Auftritte sind hölzern, seine Rhetorik bescheiden. Jordan reisst niemanden vom Hocker. Das muss kein Nachteil sein für den obersten SNB-Job. Hildebrands Vorgänger Jean-Pierre Roth war in guter Notenbank-Tradition zurückhaltend. In den 90er-Jahren war Pierre Languetin eine kurze Zeit lang der Chef; auch er zündete selten ein rhetorisches Feuerwerk.

Kernfragen schon im Studium begriffen

Von der Wissenschaft erhält Jordan ein gutes Zeugnis. Seine Doktorväter an der Universität Bern schildern ihn als einen, der das Wesen der Zentralbanken- und Währungspolitik schon im Studium im Kern begriffen habe.

Jordan machte sein Nachdiplom-Studium an der US-Eliteuniversität Harvard und schloss dieses mit einer Habilitation ab. Heute lehrt er nebenamtlich als Honorarprofessor in Bern.

Steiler Aufstieg in der SNB

1997 stiess Jordan als Wissenschaftler zur SNB und wurde nach zwei Jahren zum Vizedirektor befördert. Er übernahm als ersten Kaderjob die Leitung der Forschungsabteilung.

Das war vor zehn Jahren. Sein Aufstieg ging rasch weiter, und im Frühling 2007 ernannte ihn der Bundesrat zum jüngsten Mitglied des Dreier-Gremiums an der Spitze der SNB.

Dann brach die Finanzkrise aus, die UBS geriet in Schieflage, und die SNB war gefordert wie kaum jemals zuvor. Hildebrand packte den Stier bei den Hörnern und forderte rasch mehr Eigenkapital für die Grossbanken und eine schärfere Regulierung von UBS und CS .

Wie ein Sekundant im lebensgefährlichen Duell

Im Windschatten von Hildebrand baute Jordan den Fonds für die faulen UBS-Subprime-Papiere auf. In der folgenden Too-Big-To-Fail-Regulierung vertrat er die SNB in der Expertengruppe.

2010 und 2011 folgten die Euro-Interventionen. Hildebrand wurde von der SVP ins Visier genommen, die Notenbank erlitt historische Verluste. In dieser Phase hielt Jordan treu zu Hildebrand, wie ein Sekundant im gefährlichen Duell.

Immer nett, immer ruhig

Nun ist sein Herr weg, und Jordan muss in der grossen Führungskrise der SNB selbst an die Kanone. Man traut es dem immer netten, immer ruhigen, immer vernünftigen Jordan fast nicht zu, dass er diese bewältigen und die SNB rasch zur Ruhe bringen kann.

Aber vielleicht tut man Jordan unrecht. Schon oft wuchsen gerade jene in Notlagen über sich hinaus, von denen man dies am wenigsten erwartet hätte.


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