Hildebrand-Angreifer: Was trieb den Sarasin-Mann an?

20minuten.ch (5. Januar 2012) – Der Ankläger von SNB-Chef Philipp Hildebrand in der Dollar-Affäre ist kein Whistleblower, sondern einer, der das Bankgeheimnis verrät. Die Frage ist, was ihn dazu bewogen hat.

Ein Whistleblower mache publik, wie stark der oberste Schweizer Währungshüter mit Devisen herumspiele, lautet zurzeit der mediale Tenor. Doch diese Darstellung hat einen Schönheitsfehler: Beim Hildebrand-Angreifer handelt es sich nicht um einen Whistleblower, sondern um einen, der das Bankgeheimnis aushebelt.

Das ist zwar derzeit nur eine Seitengeschichte rund um Philipp Hildebrands Eigengeschäfte und die Dollar-Käufe seiner Frau. Trotzdem wirft sie eine wichtige Frage auf: Was trieb den Angestellten der Bank Sarasin dazu, die Operationen der Familie Hildebrand offenzulegen?

Fristlos entlassen, Lohn und Bonus unklar

Auf Verletzung des Bankgeheimnisses steht Gefängnis, es ist eine Verletzung von Artikel 47 des Bankengesetzes und fällt unter das Strafrecht. Die Bank Sarasin hat denn auch rasch gehandelt und ihren Mitarbeiter fristlos vor die Tür gesetzt. Ob sie ihm noch Lohn und allfälligen Bonus auszahlen würde, wollte ein Sprecher heute nicht bekannt geben.

Die Bank Sarasin ist in der Hildebrand-Affäre bisher Opfer und nicht Täterin. Wenn ein Kunde für seine Daten keine expliziten Schutz-Vorkehrungen trifft – beispielsweise durch eine Struktur oder ein Nummernkonto -, dann haben viele Mitarbeiter auch auf unteren Chargen Zugang zu den Informationen. Den Baslern Schlendrian vorzuwerfen, wäre unfair.

Kehren wir zurück zur Hauptgeschichte. Dass die Offenlegung der Hildebrand-Transaktionen schwere persönliche Folgen für den Sarasin-Mann haben könnte, dürfte dem Angreifer frühzeitig klar gewesen sein. Immerhin liess er sich laut Medienberichten von einem Anwalt beraten. Offenbar wurde gemeinsam die Strategie über die SVP gewählt. Über Parteiexponenten kamen die geheimen Hildebrand-Bankunterlagen zum Bundesrat und führten in dieser Woche zur medialen Explosion und damit zur unsicheren Zukunft Hildebrands an der SNB-Spitze.

Keine konkreten Drohungen

Wer als Bankmitarbeiter angesichts harter Strafen geschützte Kundendaten verrät, muss also ein starkes Motiv haben. Dabei geht es bei Hildebrands Angreifer offenbar nicht um Geld oder um sonstige materielle Vorteile. Aus SNB-Kreisen verlautet nämlich, dass weder Geld verlangt noch dem Notenbank-Präsidenten konkret gedroht wurde.

Aus Hildebrands Umfeld ist zu vernehmen, dass der Sarasin-Mann von persönlichen Rachegelüsten getrieben sein müsse. Es gehe ums Ego. Involvierte SVP-Vertreter behaupten hingegen, dass dem Bankangestellten – es handelt sich laut Sarasin um einen IT-Spezialisten – sauer aufgestossen sei, dass der Zentralbank-Chef öffentlich die Geschäftsbanken geissle und insgeheim mit Dollars spekuliere.

Falscher Verweis auf Zürcher Sozialamtsaffäre

Das erklärt auch, warum SVP-Politiker den Hildebrand-Angreifer zum Whistleblower machen, was von vielen Medien weiterverbreitet wird. Es wird auf die Affäre im Zürcher Sozialamt verwiesen, wo zwei Mitarbeiterinnen ihre Vorgesetzten unter Druck setzten, indem sie Internas via Presse publik machten.

Genau da liegt der Punkt. Im Fall der Sozialarbeiterinnen ging es um Zustände bei der eigenen Arbeitgeberin, beim Hildebrand-Gegenspieler um einen Mann, der einen Kunden – also einen Aussenstehenden – ins Visier nimmt.

Gerechtigkeitsfanatiker? Aufrechter Bürger? Amok?

Er sei mit seiner Kritik an Hildebrands Eigengeschäften intern aufgelaufen, heisst es in den Medien. Deshalb der Gang via Anwalt zur SVP. Das tut nichts zur Sache. Hätten denn die Sarasin-Chefs Hildebrands Transaktionen offenlegen sollen? Unvorstellbar.

Das vorläufige Fazit des Hildebrand-Krimis mit Bezug auf den Angreifer lautet somit: Job weg, absehbares Strafverfahren, wohl mit Gefängnis, eventuell auf Bewährung; im Gegenzug Genugtuung, dass Hildebrand gebrandmarkt dasteht.

Wer agiert so? Ein Gerechtigkeitsfanatiker? Ein intimer Hildebrand-Feind? Ein aufrechter Schweizer Bürger? Ein Amokläufer?


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