Brasilien im Vormarsch: Samba-Banking erobert die Schweiz
20minuten.ch (30. November 2011) – Neben der Safra-Bankengruppe und ihrer Sarasin-Akquisition geht eine zweite Brasilien-Bank in die Offensive. Die Grossbank Itau agiert von bester Zürcher Adresse aus.
Der Sarasin-Kauf ist ein Coup für «Brazil Banking». Die Safra-Gruppe mit Hauptsitz im lateinamerikanischen Grossstaat und jüdischen Familienwurzeln im Mittelmeerraum hat sich mit einem Donnerschlag auf die Schweizer Landkarte gesetzt.
Von 0 auf Platz 4 im Private Banking und hinter UBS, CS und der Genfer Pictet mit verwalteten Kundenvermögen von über 200 Milliarden sogar vor der Zürcher Julius Bär: Das macht den Safra-Leuten so schnell keiner nach.
Konkurrenz aus dem eigenen Land
Oder doch? Konkurrenz droht ausgerechnet aus dem eigenen Land. Die grösste Bank Brasiliens, die Itau, breitet sich nämlich ebenfalls auf dem Bankenplatz Zürich aus.
Beide Bankhäuser lassen sich nicht lumpen. Die Safra belegt schon seit Jahren ein unscheinbares Gebäude am Zürcher Paradeplatz, mit verziertem Familienlogo an den schmiedeisernen Fenstern, derweil sich Brasiliens grösste Landesbank Itau im vornehmen Villenquartier an der Genferstrasse unweit des Sees niedergelassen hat, in Gehdistanz zum Zürcher Bankenzentrum.
Underdog Safra hat Nase vorn
Die Expansion von Itau und Safra nach Zürich und auf den Schweizer Finanzplatz unterstreicht die Ambitionen der brasilianischen Geldmanager, auf dem führenden Vermögensverwaltungsplatz der Welt eine Rolle zu spielen. Die Nase im innerbrasilianischen Wettbewerb vorn hat nach dem Kauf der Basler Sarasin Privatbank die Safra-Gruppe, während die Itau aus eigener Kraft wachsen will.
Die Safra-Bank ist die Geschichte eines Underdogs, der plötzlich an allen vorbeizieht. Trotz der eleganten Niederlassung am Paradeplatz und einem Schweizer Sitz in Genf wäre bis letzte Woche kaum jemand auf den Gedanken gekommen, dass Safra den Sarasin-Deal stemmen könnte.
Während sich die beiden Favoriten für den Sarasin-Kauf, Julius Bär und Raiffeisen, noch öffentlich um die Braut balgten, schlichen die cleveren Safra-Leute auf Samtpfoten an den Platzhirschen vorbei und gewannen das Herz der holländischen Rabobank und deren Sarasin-Aktienpaket.
Sarasin-Kauf zum 10. Hochzeitstag
Die Meisterleistung geht auf das Konto von Jacob Safra, dem 35-jährigen Sohn des Patriarchen und Bank-Präsidenten Joseph. Der Deal war sogar zeitlich einer fürs Familienalbum. Fast auf den Tag genau 10 Jahre früher war nämlich Jacobs Hochzeit in Brasiliens Wirtschaftsmetropole São Paulo.
An jenem Tag zeigte sich, welch grossen Einfluss die Safras in Brasilien haben. Gemäss einem Zeitungsbericht nahmen rund 3000 der reichsten und bekanntesten Bürger des Landes an der Trauung teil. Im Anschluss an die Zeremonie schmissen die Safras für das Brautpaar ein Fest mit 1600 «engen» Freunden. Unter anderem liessen sie eine extra für den Anlass gebaute Kopie des französischen Schlosses in Versailles herstellen.
Die Kosten der Hochzeit müssen in die Millionen gegangen sein. Für die Bankerfamilie Safra war das ein Klacks. Ihr 72-jähriges Oberhaupt Joseph ist gemäss der Reichstenliste des US-Magazins Forbes der dritt-vermögendste Bürger Brasiliens, weltweit schafft es Safra auf Platz 68. Berechnetes Vermögens: über 11 Milliarden Dollar. Die Milliarde für das 46-Prozent-Sarasin-Paket ist somit ein Taschengeld für die Safras.
Itau setzt auf Universal-Banking
Konkurrentin Itau ist eine komplett andere Geschichte. Durch den Zusammenschluss mit einer anderen Grossbank, der Unibanco, wurde die Bank die Nummer eins des Landes. Während sichSafra auf die Vermögensverwaltung für die Gutbetuchten fokussiert, ist Itau eine Universalbank wie UBS und CS in der Heimat.
Dass Itau auch im Private Banking Grosses vorhat, hängt mit dem neuen Reichtum im südamerikanischen Land zusammen. Brasilien boomt, und mit dem Aufschwung werden clevere Unternehmer reich und Banken gross.
Gewichte verschieben sich
Itau und Safra, zwei Banken, unterschiedliche Geschichten und Strategien. Die Expansion der beiden Finanzinstitute ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich die Gewichte in der Weltwirtschaften rapide am Verschieben sind.
«Old Europe» und «Poor America» sind im Sinkflug, während die bevölkerungsreichen Länder in Fernost und Lateinamerika ihren Appetit nicht länger zügeln. Wie viel vom Weltkuchen Brasilien, China und weitere Boomstaaten dereinst besitzen werden, wissen wir wohl erst in 20 bis 30 Jahren.