Das Problem von Swiss Life ist der Präsident

20minuten.ch (8. Dezember 2011) – Mit dem Abgang von Carsten Maschmeyer ist Swiss Life das schwarze Schaf los. Nur ändert das nichts an der fehlenden Vision des Konzerns. Verantwortlich ist Präsident Rolf Dörig.

Offiziell geht Carsten Maschmeyer, Gründer der deutschen Swiss-Life-Tochter AWD, im Sinne der Sache. Es gelte, den «unberechtigten Angriffen auf meine Person und auf AWD den Boden» zu entziehen, so Maschmeyer in einer Stellungnahme vom Mittwochabend.

Die Aussage macht ratlos. Maschmeyer ist ein Machtmensch; einer, der sich nicht leicht ins Bockshorn jagen lässt. Zudem sind die Vorwürfe an den «Versicherungskönig» weder neu noch derzeit besonders heftig.

Vordergründig wird Dörig ein Enfant terrible los

Was also steckt hinter Maschmeyers sofortigem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat (VR) des Schweizer Lebensversicherungskonzerns?

Auf den ersten Blick handelt es sich um einen Sieg für Swiss-Life-Präsident Rolf Dörig. Der wird ein unkontrollierbares VR-Mitglied los. Diplomatisch geschickt dankt Dörig im CommuniquéMaschmeyer «für seinen wertvollen Beitrag, den er als erfolgreicher, strategisch denkender Unternehmer und ausgewiesener Experte in unserem Verwaltungsrat geleistet» habe.

Ende gut, alles gut? Einiges bei Swiss Life spricht gegen ein Happy-End. Das Problem ist Präsident Dörig selbst. Er hat es verpasst, dem Unternehmen eine erfolgversprechende Strategie zu verpassen.

Strategischer Deal endete in Scherbenhaufen

Bester Indikator dafür ist der Aktienkurs. Der ist in den letzten 5 Jahren von über 300 auf derzeit 90 Franken gesunken. Eine Erholung ist nicht in Sicht.

Dörig entpuppt sich als wenig visionärer Stratege und – bei der Personalie Maschmeyer – als zögerlicher Präsident. Bereits nach dem teuren AWD-Kauf vor vier Jahren hätte Dörig dafür sorgen müssen, dass Maschmeyer in die Wüste geschickt wird. Dann hätte Dörig ein besonders unrühmliches Kapitel wohl verhindert.

Nach dem AWD-Deal griff Swiss Life nach einer weiteren Finanzberaterin, der MLP. Obwohl abzusehen war, dass sich die MLP-Führung mit Händen und Füssen gegen eine Übernahme und ein Zusammengehen mit AWD unter dem Dach der Schweizer wehren würde, erwarb der damals designierte Dörig einen Viertel des Unternehmens. Angetrieben wurde er von Swiss-Life-VRMaschmeyer. Dessen grosser Traum sei schon immer der Kauf der Konkurrentin gewesen, sagt ein Swiss-Life-Insider.

Der MLP-Deal scheiterte, wertvolle Zeit war verloren gegangen, und Dörig hatte sich als ein Manager entpuppt, der sich von Anderen vor den Karren spannen liess. Fehler passieren, könnte man argumentieren. Entsprechend durfte Dörig trotz dem Debakel wie geplant das Präsidium von Swiss Life antreten. Doch von der MLP-Geschichte hat sich das Unternehmen nie richtig erholt.

Wo wachsen, wie positionieren, was aufgeben?

Der Grund ist, dass es Dörig offenbar an der Vorstellung fehlt, wie er sein Unternehmen weiterbringen könnte. Die Tochter AWD brachte nicht den erhofften Befreiungsschlag mit Aufbruch zu neuen Ufern im Ausland. Der Traum von Marktanteilsgewinnen in Osteuropa und Österreich ist weitgehend geplatzt. Woher das Wachstum im Ausland nun kommen soll, ist ungewiss.

Im Inland sind Swiss Life die Hände gebunden. Als Marktführerin leidet sie besonders stark unter den rigiden gesetzlichen Vorschriften. Diese führen im Vorsorgegeschäft zu einer Asymmetrie der Gewinne. Die Versicherten sind in guten und schlechten Börsenzeiten die Gewinner, weil sie einen gesetzlichen Anspruch auf einen Minimalzins haben. Die Aktionäre hingegen profitieren nur beschränkt in der Boomphase, kommen aber voll zur Kasse, wenns bergab geht.

Dieses Dilemma ist nicht die Schuld von Swiss-Life-Präsident Dörig. Seine Verantwortung liegt darin, dass er keinen Ausweg aus der verzwickten Lage gefunden hat. Nicht mit AWD und schon gar nicht mit der missglückten MLP-Übung. Die Swiss-Life-Strategie ist ein Aktenzeichen ungelöst.

Grosser Umsetzer, kleiner Visionär

Selbst der grosse Hoffnungsträger «Wrapper», bei dem Wertpapiere in einen Versicherungsmantel gehüllt werden, ist wie eine Seifenblase geplatzt. Nach stürmischem Wachstum und hohen Gewinnen schob der Regulator einen Riegel, weil das «Wrapper»-Business von vielen Kunden genutzt wurde, um Schwarzgeld steuergünstig weisszuwaschen.

Vertraute sehen das Hauptproblem mit Dörig, dass er am falschen Platz sei. Als Sanierer und Aufräumer in schwierigen Lagen habe er früher gute Arbeit geleistet, einst bei der Credit Suisse, dann ab 2002 als Konzernchef der Swiss Life. Auch beim Sportverein Grasshoppers und kurzzeitiger Krisenhelfer der Landesausstellung Expo.02 habe Dörig reüssiert.

Was ihm hingegen fehle, sei strategisches Flair. «Er ist kein Unternehmer-Typ», bringt es ein Weggefährte auf den Punkt.


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