Vom Staatsmann zum UBS-Meldeläufer

20minuten.ch (26. September 2011) – Nach der Holocaust-Gelder-Affäre und dem Swissair-Grounding steckt Kaspar Villiger als Präsident der UBS in seinem dritten Tornado als Schweizer Spitzenkraft. Wird er ihn überstehen?

An Kaspar Villiger blieb Kritik nie lange haften. Nicht bei der Holocaust-Milliardenzahlung in den 1990er Jahren und nicht beim Swissair-Grounding, als Villiger jeweils Finanzminister war und eine wichtige Rolle bei der Krisenbewältigung spielen sollte.

Noch klammert sich Villiger an seinen Stuhl. An seiner Nachfolgeplanung auf dem UBS-Präsidentensessel habe sich mit dem Abgang von Oswald Grübel als CEO nichts geändert, meinte Villiger am Samstag trotzig.

Der Plan sieht vor, dass der deutsche Zentralbanker Axel Weber nächsten Frühling Villiger als Vizepräsident zur Seite gestellt wird, um dann im 2013 zu übernehmen.

Was heute gilt, ist morgen Schnee von gestern

Pläne haben bei der UBS derzeit eine kurze Halbwertszeit. Bei Grübel hiess es nach dem 2-Milliarden-Derivatecrash zuerst ebenfalls, dass ein Rücktritt nicht zur Debatte stünde. 10 Tage später war der deutsche Super-Banker Geschichte.

Villigers Supporter bringen nun das gleiche Argument wie bei Grübel ins Spiel. Es gälte, eine Führungskrise durch eine Doppelvakanz zu verhindern.

Doch zwei Medien mit grosser Feuerkraft lassen sich davon nicht beirren. Die englische Financial Times schreibt, dass CEO Grübel in der turbulenten letzten Woche in Singapur vom UBS-Verwaltungsrat verlangt habe, Villiger frühzeitig in Pension zu schicken.

In der Schweiz ist es die NZZ, die ihren ehemaligen Verwaltungsrat ins Visier nimmt. Die Zeitung wirft die Frage auf, ob sich Villiger wirklich wie vorgesehen bis 2013 im Amt halten könne.

Langfädig, unpräzis, überfordert

Bei seinem Auftritt am Samstag an der Telefonkonferenz wirkte Villiger nicht souverän. Wo kurze Antworten genügt hätten, wurde er langfädig und verlor sich im Ungefähren.

Ausgerechnet jene Message, die er unbedingt herüberbringen wollte, wird nun von der Financial Times bezweifelt. Dass nämlich der Verwaltungsrat unisono Grübel als CEO behalten wollte.

Villigers Unsicherheit hat dem 70-jährigen bisher nie den Kopf gekostet. In der Affäre um die Holocaust-Gelder war der FDP-Magistrat Mitläufer, der das Debakel mit einer Milliardenzahlung des Finanzplatzes nicht verhindern konnte, aber auch nicht persönlich zu verantworten hatte.

Beim Grounding 2001 spielte Villiger hingegen eine entscheidende Rolle. Er verhandelte hinter den Kulissen mit dem damaligen UBS-Chef Marcel Ospel über einen Notkredit von 250 Millionen Franken, der das Grounding der Swissair zumindest abgefedert hätte. Villiger offerierte 50:50 zwischen Bund und UBS/CS, für Ospel wären somit 62,5 Millionen fällig geworden. Ein Klacks, müsste man meinen, doch Villiger biss beim Banker auf Granit, die Swissair lief auf Grund.

Vom Staatsmann zum Meldeläufer

Im März 2009 wurde dann Villiger überraschend zum obersten UBS-Steuermann gekürt. Von Anfang an war seine Rolle jene des Beruhigers, des Vermittlers zwischen Finanz- und Politzentrum, des ehemaligen Staatsmanns, der die durchtriebenen Bonus-Banker zur Vernunft bringen sollte.

Das Gegenteil trat ein. Villiger wurde zum Meldeläufer der UBS, wenn es um regulatorische und somit politische Dinge ging. Villiger machte sich stark für Boni, für hohe Löhne, für weniger Kapital-Auflagen, für weiteren Eigenhandel. Kurz: Villiger war nicht mehr auf Seiten der Politik, sondern auf jener der Grossbank.

Das musste er auch, als Präsident des Unternehmens hatte er in erster Linie deren Interesse respektive jene der Aktionäre der UBS zu vertreten. Doch der Wechsel vom Politiker, der der Res publica, also der öffentlichen Sache, verpflichtet war, zum obersten Lobbyisten einer Grossbank, die vom Staat gerettet werden musste, war zu gross.

Mit Grübel ist letzter Puffer weg

Und so geriet auch Villiger zunehmend unter Beschuss. Kam hinzu, dass er vom Fach weit weniger verstand als dies in seiner Position üblicherweise Voraussetzung ist. Solange Villiger als Faktor galt, der die UBS-Banker bremste, sah man ihm das nach. Als klar wurde, dass er für die UBS-Banker die politischen Kohlen aus dem Feuer holen wollte, wurde ihm der fachliche Mangel vorgeworfen.

Mit dem Derivate-Gau und Grübels raschem Exit ist nun der letzte Puffer weg. Villigers fehlendes Grossbanken-Knowhow macht ihn zu einem Präsidenten ohne Macht und Einfluss. Ein Ausharren bis 2013 wirkt immer mehr als Versuch, die lange Karriere nicht mit einem vorzeitigen Abschied zu beflecken. Der Sache dienlich ist ein Verbleib Villigers aber je länger je weniger.


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