SNB/Differenzen über 2,5 Mrd CHF-Ausschüttung provozierte Abstimmung im Bankrat
AWP (1. Februar 2011) – Im obersten Gremium der Schweizerischen Nationalbank (SNB), dem Bankrat, kam es zu einer Kampfabstimmung über das Festhalten an der Ausschüttung von 2,5 Mrd CHF an Bund und Kantone. Das geht aus dem neuesten „Anlagekommentar“ hervor, einer regelmässig erscheinenden Analyse zum Weltgeschehen von Konrad Hummler. Hummler ist Partner der St.Galler Privatbank Wegelin und seit 2004 Mitglied des SNB-Bankrats.
Hummler stört sich daran, dass an der Ausschüttung für 2010 trotz einem Rekordverlust von 21 Mrd CHF festgehalten werden soll. „Anstatt mindestens im Rahmen der Vorjahre Rückstellungen zu bilden und, falls vorhanden, einen übrigbleibenden Gewinn vereinbarungsgemäss Bund und Kantonen zuzuweisen, entschloss man sich zu einer Punktlandung bei 2,5 Milliarden Franken Ausschüttung und einer Residualzuweisung von einigen wenigen hundert Millionen zugunsten der Rückstellungen für Währungsreserven“, schreibt Hummler in seinem Dokument, das die Wegelin-Kunden und interessierte Kreise letzte Woche zugestellt erhielten.
Hummler stört sich nicht an einer drohenden finanziellen Aushöhlung der SNB. „Rein zahlenmässig erschüttert das die SNB natürlich nicht“, schreibt er, und kommt dann zu seinem Kernargument: „Was erschütternd ist, ist vielmehr die Geisteshaltung der verantwortlichen Organe, denen die Konstanz der Ausschüttung offensichtlich mehr bedeutet als die nach Notenbankgesetz vorab zu äufnende Rückstellung zum Zwecke der Stabilität des Instituts.“
Der Wegelin-Banker, der wegen seiner anstehenden Wahl zum Präsidenten der NZZ per Ende April aus dem SNB-Bankrat zurücktritt, will auf Anfrage nicht offenlegen, wer im Bankrat ausser ihm die beschlossene Ausschüttung ebenfalls abgelehnt hatte. Er habe seine Meinung durch den Verweis in seinem „Anlagekommentar“ nur öffentlich gemacht.
Ein von AWP angefragtes anderes SNB-Bankratsmitglied wusste im Voraus von Hummlers Absicht, die vorgeschlagene Gewinnausschüttung abzulehnen. Über allfällige weitere ablehnende Stimmen in der entscheidenden Abstimmung, die Mitte Januar stattgefunden hatte, wollte die Quelle nichts sagen.
SNB-Bankratspräsident Hansueli Raggenbass, ein Ostschweizer Anwalt, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Walter Meier, Sprecher der Nationalbank, verwies auf Anfrage auf eine Aussage von SNB-Chef Philipp Hildebrand.
Hildebrand sagte am 14. Januar zum Beschluss, an den seit 2008 jährlich ausgeschütteten 2,5 Mrd CHF für die öffentliche Hand nochmals festzuhalten: „Der Entscheid, trotz hohem Verlust und einer ins Minus gerutschten Ausschüttungsreserve an der Gewinnausschüttung festzuhalten, ist nicht leichtfertig getroffen worden. Die Variante, keine Ausschüttung vorzunehmen, ist im Direktorium und im Bankrat ebenfalls einlässlich diskutiert worden.“
Damit bestätigt Hildebrand indirekt, dass es im Bankrat zu einer Auseinandersetzung gekommen war. Das Problem der angesichts der grossen Verluste hohen Ausschüttung an Bund und Kantone ist, dass die Rückstellungen für Währungsreserven lediglich um 0,7 Mrd statt wie vorgesehen um 4 Mrd CHF geäufnet werden. Damit verletzt die SNB eigene frühere Absichten.
Dass der Bankrat an der gewohnten Ausschüttung festhalten will, dürfte laut Beobachtern einen einfachen Grund haben. Im 11-köpfigen Gremium sitzen 5 Vertreter der Politik, und zwar 3 Regierungsräte, ein Ex-Nationalrat und ein Gewerkschaftsvertreter. Hinzu kommen zwei oberste Kantonalbanker, die von der Politik abhängig sind. Zum privaten Lager gehören neben Hummler nur Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer und HSG-Professorin Monika Bütler.