Wie der Bundesrat die Schweiz täuschte

20minuten.ch (20. Januar 2011) – Während der Bundesrat öffentlich Härte markierte, machte er gegenüber den USA geheime Zugeständnisse zur Rettung der UBS. Die Details zum Geheimdeal.

Wikileaks-Dokumente, die in Norwegen aufgegriffen wurden, zeigen den Steuerfall UBS in neuem Licht. Am 1. Juli 2009 kabelte der US-Botschafter in Bern in seine Heimat, dass die Schweizer Regierung als Entgegenkommen im UBS-Fall ein paar Guantánamo-Häftlinge aufnehmen und eine schwedische Firma namens Colenco, die mit dem Iran geschäftete, dichtmachen würde.

Das Datum 1. Juli 2009 ist in diesem Zusammenhang bedeutungsvoll. An jenem Mittwoch hatte Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard einem Kadermann der US-Botschaft gemäss den Wikileaks-Dokumenten mitgeteilt, «dass der Schweizer Bundesrat in einer Sondersitzung beschlossen hat, die Aktivitäten der schwedischen Firma Colenco im Iran zu beenden».

Weiter soll in der Depesche wörtlich übersetzt stehen: «Ministerin Leuthard machte deutlich, dass diese beiden Aktivitäten [die Schliessung von Colenco und die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen] mit dem Erreichen einer politischen Einigung im Fall des Schweizer Bankenriesen UBS verbunden sind.» Leuthard bestritt nach der Veröffentlichung der Wikileaks-Depeschen, dass dieser Zusammenhang bestehe.

Öffentlich hart, im Geheimen butterweich

Am 1. Juli hatte die Landesregierung aber noch etwas anderes beschlossen. Auf Antrag von Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf wurde die sogenannte «Blocking order» in Sachen UBS-Daten aktiviert. Es handelte sich um den schon einen Monat zuvor gefällten Grundsatzbeschluss des Bundesrats, die von den USA geforderten Daten von Zehntausenden von amerikanischen UBS-Kunden notfalls zu annektieren und deren Herausgabe auf diese Weise zu unterbinden.

Der Bundesrat verwies auf den früheren Fall einer Blockierung wichtiger Bankkundendaten, jenen des Milliardärs Marc Rich. Die USA jagten den Öl-Händler mit Geschäftssitz in der Schweiz wegen angeblicher US-Gesetzesverstössen. Die Schweiz lehnte eine Kooperation ab und sorgte mit Blick auf allfällige Zwangsmassnahmen der Amerikaner gegen Schweizer Banken vor, indem sie die Rich-Daten unter Verschluss nahm.

Das Brisante im Fall UBS ist diese zeitliche Koinzidenz vom 1. Juli 2009. Auf der einen Seite gab sich der Bundesrat mit seiner Blocking Order nach aussen hart, auf der anderen besänftigte die Landesregierung die Amerikaner mit «Liebesdiensten», um möglichst rasch einen Deal in Sachen UBS zu erreichen.

Bankgeheimnis geopfert

Das Manöver gelang. Am Sonntag, 12. Juli 2009, einigten sich die beiden Staaten auf aussergerichtliche Verhandlungen im Steuerfall UBS, was dazu führte, dass der Prozess US-Steueramt gegen UBS am 13. Juli nur noch formell eröffnet wurde. Am 19. August gaben dann beiden Länder ihren Deal bekannt. Der sah die Offenlegung von 4450 US-Kunden der UBS vor. Der Bundesrat gebärdete sich als harter Verhandler.

Die heute bekannt gewordenen Geheim-Absprachen zwischen der Schweiz und den USA, die stark mit dieser nach aussen verbreiteten kämpferischen Haltung der Eidgenossenschaft kontrastieren, sind ein weiteres Mosaiksteinchen in einem möglichen Geheimplan zur Rettung der UBS.

Ins Auge stechen weitere zeitliche Übereinstimmungen. So waren die US-Justizermittler noch im Sommer 2008, als der UBS-Steuerfall immer gefährlicher wurde, bereit, das geltende Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz einzuhalten und auf dem bilateralen Weg Daten von US-Steuersündern zu erhalten.

Der plötzliche Stimmungswandel

Davon zwar am 17. Oktober 2008 nichts mehr zu spüren. An einem Meeting in New York setzten die US-Behörden der Schweiz das Messer an den Hals und verlangten ultimativ Hunderte von vom Bankgeheimnis geschützte UBS-Kundendaten, ansonsten die Bank in den USA angeklagt würde.

Brisant am abrupten Stimmungswandel sind zwei Punkte. Erstens erfolgte dieser nur zwei Tage nachdem die Nationalbank in Abstimmung mit dem Finanzdepartement beschlossen hatte, die UBS mit rund 60 Milliarden Dollar von faulen US-Hypothekenpapieren vor dem Untergang zu retten. Die benötigten Dollars erhielt die SNB von der US-Zentralbank Fed. Diese musste die SNB für kreditwürdig erachten und hätte dank ihrer Machtstellung wohl Forderungen stellen können.

Zweitens – und das mag als Detail erscheinen, ist aber ebenfalls ein Indiz – fand das geheime Meeting vom 17. Oktober nicht wie man hätte erwarten können in einem Raum des ermittelnden US-Justizministeriums statt, sondern am New Yorker Sitz der US-Notenbank Fed. Das wirft die Frage auf, ob nicht doch das Fed in jenen Wochen die Fäden in der Causa UBS in den Händen hielt und darauf pochte, dass die Schweiz als Gegenleistung ihr altes Steuer-Bankgeheimnis opferte. Die UBS wollte gegenüber 20 Minuten Online keine Stellung zu den Wikileaks-Depeschen nehmen. Die Bank bestreitet die Existenz eines Geheimplans und den Zusammenhang zwischen der Rettung der UBS und dem Fallen des Schweizer Bankgeheimnis.


Einen Kommentar schreiben