Neue Nahrung für die These vom Geheimdeal

20minuten.ch (20. Dezember 2010) – Das Timing von UBS-Rettung und US-Milliardenkrediten legt geheime Absprachen zwischen der Schweiz und Amerika nahe. Ins Bild passt ein hastig bereitgestelltes Hilfspaket für den IWF.

Was bisher erst als zeitliche Koinzidenz aufgezeigt werden konnte, wird durch die von der «Weltwoche» aufgedeckten Druckversuche von Bundesrat und Nationalbank rund um Milliarden für den Internationalen Währungsfonds (IWF) gestützt.

Das Magazin schildert minutiös, wie Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand das Parlament zur Kredithilfe per Express drängten. Die gesamte Unterstützungssumme würde sich auf gegen 20 Milliarden Franken belaufen. Das Vorhaben scheiterte, weil viele Politiker nicht mitspielten. Nun wird der IWF-Kredit zur Rettung maroder Euro-Staaten und anderer überschuldeter Länder Anfang 2011 im ordentlichen Rahmen behandelt.

Hildebrand könnte Goodwill der USA gebrauchen

Was auf den ersten Blick nichts mit der UBS-Rettung im Herbst und Winter 2008/2009 zu tun hat, könnte sehr wohl einen direkten Link haben. Der IWF wird vom Franzosen Dominique Strauss-Kahn präsidiert, traditionellerweise aber von den USA bestimmt. Schweizer Milliarden für den IWF sind von daher ganz im Sinne der USA. Am Rande sei erwähnt, dass, falls SNB-Präsident Hildebrand, wie dies in Finanzkreisen schon länger behauptet wird, tatsächlich Nachfolger von Strauss-Kahn werden möchte, der Schweizer auf den Goodwill der USA angewiesen sein wird.

Inwiefern würde aber die von den obersten helvetischen Behörden vorangetriebene massive IWF-Unterstützung zur These passen, wonach es zwischen der Schweiz und den USA eine Art «Verschwörung» rund um die UBS-Rettung gab? Zur Beantwortung der Frage muss zuerst aufgezeigt werden, wie stark die USA im Herbst/Winter 2008/2009 in die UBS-Hilfeleistung involviert waren und was sie dafür vom kleinen Land erhielten.

1. Akt: UBS-Präsident Kurer ist nur noch ausführender Anwalt
Im ersten 20-Minuten-Online-Artikel zum Thema wurde die Herausgabe von bankgeheimnis-geschützten US-Kundendaten mit der UBS-Rettung durch die Notenbanken zu einer Indizienkette verwoben. Ein im Nachhinein möglicherweise aufschlussreicher Moment war der 2. Oktober 2008, als UBS-Präsident Peter Kurer an einer der vielen ausserordentlichen Generalversammlungengen jener Zeit den Aktionären der Bank versicherte, dass er und seine Kollegen die UBS «recht erfolgreich durch diese Turbulenzen» manövriert hätten. Damals wusste Kurer längst um die aufgegleiste 68-Milliarden-Franken-Rettung der SNB, die zwei Wochen später erfolgen würde.

Warum also lehnte sich Kurer mit seinem Wissensstand derart ungeschickt zum Fenster hinaus? Immerhin schoss die UBS-Aktie um rund 8 Prozent auf 24 Franken in die Höhe, um danach bis März 2009 auf 8 Franken abzusacken. Bewusstes Fehl-Kommunizieren in börsenrelevanten Aspekten ist kein Kavaliersdelikt. Doch möglicherweise trat Kurer damals bereits nicht mehr als echter Bankpräsident auf, sondern war längst in seine frühere Rolle als Anwalt geschlüpft, der im Mandatsverhältnis die Interessen seiner Auftraggeber wahrzunehmen hatte.

Und die Auftraggeber wären in diesem Fall vor allem zwei Personen gewesen: SNB-Hildebrand und Ad-intermin-Finanzministerin Widmer-Schlumpf, die beide über sämtliche Schritte der grossen Rettungsaktion im Bild waren. Kurer würde seine Anwaltsrolle für Bundesrat und SNB aber nur spielen, wenn er als Person vor späteren Klagen geschützt würde. Tatsächlich stellte sich die Regierung später in einer Antwort auf die Fragen eines Parlamentariers schützend vor den UBS-Manager und bezeichnete dessen Kommunikation vom 2. Oktober 2008 als «zweckmässig».

2. Akt: Die US-Notenbank kommt ins Spiel

Am 16. Oktober 2008, einem Donnerstag, gab die Schweiz das UBS-Rettungspaket der SNB bekannt. Im grossen medialen Durcheinander ob der gigantischen Dimension und der offensichtlichen Insolvenz der UBS wurde kaum beachtet, von wo die SNB die vielen Dollars erhielt, die nötig waren, um der Grossbank ihre faulen Subprime-Kredite abzunehmen.
Lediglich eine kurze Passage im SNB-Communiqué liess Spezialisten aufhorchen. «Die Nationalbank stellt den Kredit in Dollar zur Verfügung, da die Aktiven überwiegend in dieser Währung denominiert sind», stand dort. Und weiter: «Sie wird sich die notwendigen Devisen anfänglich bei der US Federal Reserve über einen Dollar-Franken-Swap beschaffen. Danach wird die Nationalbank die entsprechenden US-Dollar-Beträge am Markt refinanzieren.»

Mit anderen Worten: Die US-Notenbank Fed lieh der SNB die für die UBS-Rettung dringend benötigten Dollars. Doch das war erst Teil 1 der US-Hilfe an die Schweiz, Teil 2 folgte zwei Wochen später. Im Rahmen diverser Kreditlinien gewährte die Fed der UBS (und anderen von der Krise betroffenen Finanzinstituten) eine kurzfristige Refinanzierung von auslaufenden Schuldpapieren in der Höhe von insgesamt 75 Milliarden Dollar. Erst im April 2009, als sich die Lage beruhigte, verzichtete die UBS auf diese Rettungsleine.

3. Akt: Gegenleistungen der Schweiz

Half die US-Notenbank aus purer Nächstenliebe? Retteten die Amerikaner die UBS und die dafür zu kleine Schweiz ohne Gegenforderung? Die im Folgenden skizzierte Verquickung der Fed im zweiten grossen Krisenfall, jenem des Steuerbetrugs mit amerikanischen UBS-Kunden, legt das Gegenteil nahe.
An einem Meeting vom 15. Juli 2008 im Flughafen Zürich zeigten sich die USA noch kooperativ und liessen der Schweiz Zeit, die geforderten Daten von US-Steuersündern auf dem ordentlichen Amtshilfeweg zu liefern. Anwesend waren US-Justizleute, nicht aber die Fed.

Drei Monate später, am 17. Oktober 2008, war von solcher Kulanz nichts mehr zu spüren. Nun pochten die Amerikaner auf eine rasche Offenlegung. «Wir spürten unmittelbar, wie sich die Stimmung verschlechterte», sagte später der Schweizer Verhandlungsteilnehmer Urs Zulauf von der Bankenaufsicht. «Die [USA] hatten ihren Auftrag und wollten ihn jetzt zu Ende führen.» Zulauf signalisierte, dass es eine Strategie der USA gab, das Bankgeheimnis aus den Angeln zu hebeln.

Wie war das möglich? Da steht die Finanzwelt schief, und eine der grössten Banken dieses Systems, die UBS, wurde mit Milliarden Fed-Dollars vor dem Kollaps gerettet. Gleichzeitig drohten die Amerikaner mit einer wohl tödlich verlaufenden Anklage gegen die UBS, wenn diese nicht rasch Kundendaten offenlegt, obwohl sie damit gegen Schweizer Gesetze verstossen würde.

Das Meeting fand nicht in den Räumen des federführenden US-Justizministeriums statt, sondern bei der New Yorker Fed. War es eventuell nur eine Inszenierung? Wenn die massgeblichen Akteure – auf Schweizer Seite die erwähnten Hildebrand und Widmer-Schlumpf, auf US-Seite Fed-Chef Bernanke und Topleute im Justizministerium – ein geheimes Drehbuch hatten, war der Stimmungsumschwung keineswegs zufällig, sondern Teil dieses Plans.

In diesem Szenario, das die UBS weit von sich weist, hatte die UBS-Rettung durch die Amerikaner ihren Preis. Die erste Gegenleistung wäre demnach wie geschildert das Ende des Bankgeheimnisses gewesen. Als zweites Entgelt wäre der UBS-Staatsvertrag mit der Offenlegung von gut 4000 US-Kunden der Grossbank zu betrachten. Das dritte Entgegenkommen könnte der geplante Milliardenkredit an den IWF sein und weitere Hilfeleistungen wie die Vermittlungsaktionen der Schweiz für die USA im Iran wären denkbar.

SNB dementiert

Während dies für die UBS Hirngespinste sind, äussert sich die SNB vorsichtiger. Angesprochen auf die zeitlichen Koinzidenzen zwischen UBS-Subprime- und -Steuer-Rettung sagte SNB-Vize Thomas Jordan am Rande des kürzlichen Winter-Jahresgesprächs, dass die Notenbank über das Verfahren mit möglicher Strafanklage gegen die UBS auf dem Laufenden gewesen sei.

Gefragt, ob es eine geheime Vereinbarung zwischen SNB und Fed für die doppelte UBS-Rettung gäbe, meinte Jordan: «Nein, einen solchen Plan gab es nicht.»


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