SNB hat ihr Euro-Pulver verschossen

20minuten.ch (6. September 2010) – Der Moment wäre für die Nationalbank günstig, dem Euro Leben einzuhauchen und den Franken zu schwächen. Doch der Notenbank sind die Hände gebunden.

Die gigantischen Euro-Käufe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) könnten als abschreckendes Beispiel in die Geschichte eingehen. Das Ziel lautete, den Franken zu schwächen und die einheimische Konjunktur zu stärken. Doch der Plan war falsch und wurde zur Unzeit umgesetzt.

Dass sich die SNB mit ihren Devisen-Käufen verrannt hat, zeigt sich in diesen Tagen. Statt die leichte Euro-Erholung von unter 1,30 Franken auf etwas darüber mit gezielten Interventionen für eine Wiederbelebung der Einheitswährung zu nutzen, herrscht Funkstille in der SNB-Zentrale. Von Euro-Käufen im grossen Stil ist am Devisenmarkt jedenfalls nichts zu vernehmen.

Politik der Nadelstiche ist erfolgversprechender

Dabei kann die SNB Devisenspekulanten nur mit einer Politik der Nadelstiche verunsichern. Einige der grossen Euro-Leerverkäufer würden möglicherweise auf dem falschen Fuss erwischt und müssten sich mit Euro eindecken, die sie auf Termin gegen Franken verkauft hatten. Ein kleines Euro-Rally wäre nicht ausgeschlossen.

Nur fehlt der SNB jetzt die Munition. Diese hat sie aufgebraucht zu einem Zeitpunkt, als der Euro-Kurs noch viel höher lag als heute, wie eine Zusammenstellung der Euro-Interventionen zeigt. Demnach betrugen die Euro-Währungsreserven der SNB umgerechnet lange 20 Milliarden Franken. Sie stiegen erstmals im März und im Juni 2009. Damals lag der Euro noch über 1,50 Franken.

Zum dicken Rohr griff die Notenbank Anfang 2010. Zwischen Januar und April verdoppelte die Notenbank ihre Eurobestände auf 109 Milliarden Franken. Der Euro-Kurs war zwar ins Rutschen geraten, pendelte aber immer noch zwischen 1,43 und 1,47. Ein Crash war das noch nicht.

Der drohte im Mai. Nun gab es für die SNB kein Halten mehr. Sie erhöhte ihre im historischen Vergleich bereits extrem hohen Euro-Bestände um nochmals gut 50 Prozent auf 165 Milliarden Franken. Im Juni standen die Notenbanker endlich auf die Bremse.

Freier Euro-Fall

Kaum stand die SNB an die Seitenlinie, stürzte der Euro im freien Fall in die Tiefe. Im Juni lagen die Tiefststände bei rund 1,32 Franken, im August nach einer kurzen Verschnaufpause bei 1,28 Franken.

Trotz loyaler Haltung begannen Ex-SNB-Spitzenleute an der Politik ihrer Nachfolger zu zweifeln. „Bis im Frühling war ich mit der SNB-Politik völlig einverstanden“, sagte der frühere Chefökonom Georg Rich der „Handelszeitung“ im Sommer. „Im Mai aber wurde es mir unheimlich, als die Notenbank derart umfangreiche Euro-Summen aufkaufte.“

Ein erfahrener Investmentbanker, der nur anonym Auskunft gibt, kritisiert die SNB-Chefs hart. „Die trampten in die “, sagt er im Gespräch. Wie Halbstarke hätten sie sich gegen den Trend gestemmt. Das laute Bekenntnis, Euro zu jedem Preis zu kaufen, habe die Devisenhändler angesichts Staatskrisen und Überschuldung im Euro-Raum erst recht aus der Einheitswährung gedrängt. Freudig verkauften sie der SNB. „Das war dumm von der Notenbank“, urteilt der Banker.

Noch schlimmer sei die nachgeschobene Begründung. SNB-Präsident Philipp Hildebrand begründete die Euro-Käufe kürzlich als Mittel zur Abwendung einer scharfen Krise. Gedroht habe eine Deflation – eine Wirtschaftsschrumpfung mit Preiszerfall –, welche die SNB mit ihren Euro-Käufen abgewendet habe. Sonst hätte eine Arbeitslosigkeit von 8 Prozent gedroht.

Blödsinn, meint der Investmentbanker, von Deflation sei weit und breit nichts zu spüren. Vielmehr würden die Immobilienpreise in den Wirtschaftsregionen Basel, Genf und Zürich hochschnellen. „Statt dass die SNB-Chefs ihren Fehler eingestehen, flüchten sie sich in abstruse Begründungen“, sagt die Banker. „Das schafft kein Vertrauen.“


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