Sie sind wieder da

20minuten.ch (30. September 2010) – Drei Jahre nach dem ersten Milliardenabschreiber wagen Wuffli und Kurer ein sanftes Comeback. Sie bekennen Fehler, betonen aber, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben.
Im Interview mit dem SF-Wirtschaftsmagazin «Eco» blickt dem Publikum ein ernsthafter 52-Jähriger entgegen, der mit leicht brüchiger Sprache versucht, das Unfassbare begreiflich zu machen. Es ist Peter Wuffli, dessen Haare etwas grauer sind als zur Zeit als strahlender UBS-Konzernleiter.

Der Auftritt hat nichts Gekünsteltes. Wuffli wirkt authentisch und erweckt nicht den Eindruck, dass ihn PR-Cracks auf die Sendung trainiert hätten. Inhaltlich blieb Wuffli Wuffli. Da erlitt seine einstige Bank ab dem 1. Oktober 2007 über 50 Milliarden Verluste, betrieb in den USA eine Steuerbetrugsmaschine und verlor innert kürzester Zeit ihren einstigen Ruf als zuverlässigste Bank der Welt, und ihrem ehemaligen Kapitän fällt dazu nicht mehr ein, als diesen einzigartigen Niedergang mit falschem Vertrauen in die Risikoexperten zu begründen. Ob er es sich damit nicht zu leicht mache, will der Fernseh-Moderator am Montag wissen. «Klar», meint Wuffli, «im Rückblick war das ein Fehler, das gebe ich zu.»

Individuelle Rettungsversuche der Ex-Chefs

Der Auftritt ist Teil einer Goodwilltour, um den Crash der UBS, der vor genau drei Jahren seinen Anfang nahm, hinter sich zu lassen und unbelastet von Vergangenheit nach vorne zu blicken. Wuffli hat – ob bewusst dafür oder weil es ihm ein Bedürfnis war, bleibt offen – ein Buch über Ethik in der globalisierten Welt geschrieben. Das Kapitel über den Niedergang der UBS publizierte die «Bilanz» letzten Freitag vorab, am Samstag brachte dann die NZZ ein langes Interview mit Wuffli, in dem sich der gescheiterte Bankenchef in epischer Länge über die Bedeutung wirtschaftlicher Ethik auslassen durfte. Auf den «Eco»-Auftritt dürfte noch ein weiteres Zeitungsinterview folgen.

Für Kommunikationsberater Klaus Stöhlker ist klar, worum es geht. «Wuffli macht eine Kampagne.» Auch Peter Kurer, der ab Frühling 2008 Präsident der UBS war und nach Auffliegen des Steuerbetrugsmodells in den USA ein Jahr später den Hut nahm, trat letzte Woche an einer öffentlichen Veranstaltung mit anderen Bankern auf. «Hinter diesen Einzelauftritten steht keine Strategie eines Masterminds», vermutet Stöhlker. «Das sind individuelle Rettungsversuche.»

Ospel jagt, Rohner sucht Immobilien

Im Unterschied zu Wufflis und Kurers medialen Sololäufen bleibt es um zwei weitere UBS-Verantwortliche ruhig. Weder der Vater der gescheiterten Grossmacht-Strategie Marcel Ospel noch sein letzter Zögling, Wufflis CEO-Nachfolger Marcel Rohner, erklären sich in der Öffentlichkeit.

Ospel hat seine Golfaktivitäten von Schönenberg über dem Zürichsee nach Gstaad ins Berner Oberland verlegt, wo er ein Chalet besitzt und nicht wie im bündnerischen Klosters Gefahr läuft, ehemaligen UBS-Weggefährten über den Weg zu laufen. Daneben hat es Ospel laut einem Vertrauten der Familie die Wildjagd angetan. Marcel Rohner wiederum versucht mit Hilfe seines Schwiegervaters und von Freunden einen Neustart im Immobiliengeschäft.

Im Vergleich zum Schweigen von Ospel und Rohner versuchen es Wuffli und Kurer à la Américaine. US-Manager, die öffentlich Abbitte tun, erhalten vom Publikum oft die Chance zum Neuanfang. Dass diese Strategie scheitern könnte, hat zwei Gründe: Erstens sind die Schweizer schlecht im Verzeihen. Zwar fällt ein Topmanager selten in Ungnade. Wenn doch zeigen sich die Helvetier von ihrer unerbittlichen Seite und verwehren in der Regel eine zweite Chance.

Die Verantwortlichen der Swissair mussten im Ausland neu beginnen, der Ex-Chef der Zürich Versicherung verschwand von der Bildfläche, ebenso wie die Verantwortlichen des Credit-Suisse- und Swiss-Life-Debakels von Anfang 2000. Die Ausnahme dieser «They never come back»-Regel ist Mathis Cabiallavetta. Der 1998 im Zuge einer anderen UBS-Affäre gestolperte Manager tauchte über US-Umwege wieder in Schweizer Spitzenetagen auf und ist heute Vizepräsident der Swiss Re.

Wuffli und Kurer sind nur scheinbar einsichtig

Ein zweiter Grund spricht gegen eine Rehabilitierung von Wuffli und Kurer. Beide zeigen sich angesichts des historischen Debakels zu wenig kritisch bezüglich ihres eigenen Verschuldens.

Wuffli brachte seine Uneinsichtigkeit in einem Satz im «Eco»-Interview zum Ausdruck. «Im Rückblick waren wir vielleicht ein bisschen zu unbescheiden», sagte er. Damit versuchte der langjährige Ex-CEO zu erklären, warum die UBS unter seiner Führung über 100 Milliarden Franken Risiken im US-Hypothekenmarkt aufgetürmt hatte. Doch es war nicht einfach zu grosse Ambition, die ins Verderben führte. Wuffli und seine damalige Crew hatten vielmehr Warnungen aus dem eigenen Risikomanagement und von Seiten der Nationalbank in den Wind geschlagen. Solange Wuffli dieses Versagen nicht einsehen will, ist er für wichtige Aufgaben ungeeignet.

«Risiken unter Kontrolle», sagte Kurer, als die USA längst ermittelten

Was bei Wuffli der Subprime-Eisberg war, sind bei Kurer die Steuermachenschaften in der US-Vermögensverwaltung. Kurers grösster Fehler war nicht, dass die UBS ihren amerikanischen Kunden beim Betrügen zur Seite stand. Sondern für einen Anwalt von seinem Kaliber bleibt bis heute unverständlich, dass er nach Beginn der US-Ermittlungen im Herbst 2007 nicht alle Hebel in Bewegung setzte, um den sich abzeichnenden Konflikt mit dem US-Sheriff raschmöglichst aus der Welt zu schaffen. Rekordbusse, Entlassungen auf oberster Stufe und sofortige Abkehr vom alten Steuerbetrugsmodell hin oder her, entscheidend war, sofort zu reagieren.

Stattdessen trat Kurer, der als langjähriger Konzernanwalt in letzter Konsequenz für die Rechtskonformität zuständig war, im Frühling 2008 die Nachfolge von Präsident Ospel an, zu einem Zeitpunkt also, als der US-Rechtskonflikt bereits am Eskalieren war. Damals sagte Kurer einer Zeitung: «Ich war zuständig für das Management der Rechtsrisiken. In aller Bescheidenheit meine ich, dass wir diese Risiken gut unter Kontrolle hatten.»

Bis heute stellt sich Kurer auf den Standpunkt, im US-Steuerstreit keine entscheidenden Fehler begangen zu haben. Dafür präsentiert er sich in der Frage des «Too big to fail» der Grossbanken als Systemrisiko als geläuterter Ex-Banker. Die UBS und die CS müssten dickere Eigenkapitalpolster aufbauen, als dies das internationale Regelwerk vorsehe.

Statt sich glaubwürdig mit den eigenen Fehlleistungen auseinanderzusetzen, versuchen Kurer und Wuffli, ihr öffentliches Image mit Auftritten zu anderen Themen aufzupolieren. «Ob das wirklich hilft?», fragt sich Kommunikationsmann Stöhlker, und zeigt sich skeptisch. «Ich bezweifle es.»


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