Ein herziges Kätzchen

20minuten.ch (4. Oktober 2010) – Die Too-big-to-fail-Kommission spricht von harten Auflagen für die UBS und die CS. Die Realität sieht anders aus.
Die Katze ist aus dem Sack. Und siehe da, es ist kein fauchender Kater, der zum Vorschein kommt, sondern ein herziges Kätzchen. Dem Experten-Schulterklopfen zum Trotz: Die Schweiz akzeptiert, dass ihre beiden Grossbanken, die man um jeden Preis retten musste, sehr gross bleiben dürfen.

Es geht um das Problem des «Too big to fail». Die dafür eingesetzte Expertenkommission legte heute ihren Bericht dazu vor. Aus einem ganzen Wust von Massnahmen sind zwei Punkte zentral. Erstens verlangt die Schweiz von ihren beiden Grossbanken einen Zuschlag auf das internationale Minimum beim harten Eigenkapital, bestehend aus Aktienkapital und Gewinnreserven, von 40 Prozent. Statt 7 Prozent sogenanntes «Common Equity» müssen es in der Schweiz ab 2019 10 Prozent sein, immer in Relation zu den eigenen Risiken.

Zwangswandler sind aber keine echte Lösung

Die zweite wichtige Messgrösse: Ein in guten Zeiten aufzubauender Puffer aus Zwangs-Wandelanleihen soll fast nochmals so viel Kapital bereitstellen, nämlich 9 Prozent, wenn man von der heutigen Grösse der beiden Schweizer Grossbanken ausgeht. Diese Zwangswandler gelten aber nicht als hartes Eigenkapital, das in der Krise als Verlustpuffer bereitsteht. Sondern es verschafft den Banken lediglich Zeit, sich nach Unterschreiten von Grenzwerten auf gesunde Beine zu stellen.

Die zweite Massnahme mit den Wandlern, auf Englisch «Contingent Convertibles» oder CoCos, ist gut und recht, doch einen Ersatz für hartes Eigenkapital à la «Common Equity» stellen sie nicht dar. Entsprechend müssen die 10 Prozent Kernkapital auf die Waage gelegt werden mit der Frage: Reichen diese für eine nächste Krise, damit nicht erneut der Staat und damit der Steuerzahler die Zeche für schiefgelaufene Wetten der Boni-Banker bezahlen muss?

Von echtem «Swiss Finish» kann keine Rede sein

Die Antwort fällt entgegen allen Schönfärbereien ernüchternd aus. Bei 10 Prozent «Common Equity», bezogen auf die nach Risiko gewichteten Gesamtengagements der Grossbanken, kann von echtem «Swiss Finish» keine Rede sein. Im Gegenteil: Statt dass sich die Schweiz durch besonders harte Vorgaben von den übrigen Ländern absetzt und ein Zeichen setzt, schwimmt sie mit dem Strom; und das, obwohl kein anderes Land nach Island ein derartiges Banken-Klumpenrisiko hat.

Warum sind 10 Prozent ungenügend? Erstens geht das neue Minimum hinter den bisherigen «Swiss Finish» zurück, und das nach einer Finanz-Jahrhundertkrise. Und zweitens zeichnet sich schon heute ab, dass alle weltweit operierenden Grossbanken hartes Eigenkapital um die 10-Prozent-Hürde vorweisen wollen und sich die Schweiz damit nicht absetzen kann.

Nur noch 40 Prozent mehr als wie bisher 100 Prozent

Zum ersten Punkt. Bisher verlangte die Aufsicht von der UBS und der CS eine Verdoppelung der sogenannten Gesamtkapitalquote. Statt 8 Prozent mussten es in der Schweiz bei den beiden systemrelevanten Grossbanken 16 Prozent sein. Die absolute Zahl täuscht, weil vielerlei als Gesamtkapital angerechnet wurde, auch Mittel, die sich in der Krise als nicht greifbar entpuppten. Doch entscheidend ist anderes: Die Schweiz wollte der Welt signalisieren, dass sie von ihren beiden Grossbanken besonders viel Kapital forderte, nämlich doppelt so viel wie global verlangt. Nun sendet das Land mit seinem 40-Prozent-Zusatzpuffer eine viel weniger überzeugende Botschaft aus.

Damit kommen wir zum zweiten Punkt. Zwar handelt es sich beim 10-Prozent-Minimum um echtes, in der Krise verfügbares Kapital. Doch der Abstand zur Konkurrenz, der viel zitierte «Swiss Finish», wird verschwindend klein. In einer kürzlich erschienenen Studie ging die US-Investmentbank Morgan Stanley davon aus, dass sich eine Untergrenze von 9,5 Prozent beim harten Kernkapital als internationales Minimum herauskristallisieren wird. Der globale Zusatzpuffer von 2,5 Prozent auf das effektive regulatorische Minimum von 7 Prozent sehen die Morgan-Stanley-Analysten als nötig an, da keine Bank in guten Zeiten in der Nähe des Grenzwertes operieren wolle.

Nur Island ist gefährdeter als die Schweiz

Somit schmilzt der «Swiss Finish» auf 0,5 Prozentpunkte – ein kaum mehr wahrnehmbarer Aufpreis. Nun können die Verantwortlichen – das sind weniger die Grossbanken-Vertreter als vielmehr die staatlichen Aufseher von Finma und Nationalbank, die das neue Regime zulassen – argumentieren, dass Zusatzpuffer in Form der Zwangswandler verlangt werden. Doch dieser Punkt verblasst neben dem Kernproblem der Schweiz mit ihren beiden Grossbanken: Diese stellen einen Klumpen dar, der im Ernstfall kaum tragbar für das Land ist.

Das zeigt ein simpler Vergleich der Grossbankenbilanzen in Prozent der gesamten wirtschaftlichen Leistung der Schweiz, des Bruttoinlandprodukts (BIP). Sämtliche Risiken von UBS und CS addiert ergeben etwa das 4,5-fache des BIP. Das ist zwar weniger als vor Ausbruch der Krise im 2007, als nur noch Island ein grösseres Klumpenrisiko hatte. Doch auch mit ihrer heutigen Grösse stellen die beiden Grossbanken für die Schweiz ein viel beträchtlicheres Risiko dar, als dies in anderen grossen Finanzmärkten wie den USA, England oder Deutschland der Fall ist.

Zu gross, um gerettet werden zu können?

Aus den Überlegungen folgt, dass das entscheidende Thema nicht mehr «Too big to fail» ist, sondern «Too big to rescue». Hat die Schweiz in einer nächsten Krise genug finanzielle Power, um eine schräg stehende Grossbank nochmals zu retten? Oder läuft sie Gefahr, dass ihre eigenen Reserven und ihre Kreditwürdigkeit auf den internationalen Finanzmärkten nicht ausreichen, um wie beim letzten Mal rettend einzugreifen?

Island kollabierte wegen seiner risikofreudigen und aufgeblähten Banken, Irland muss wegen ihrer überschuldeten Grossbanken seine Steuerzahler massiv zur Ader lassen. Die Schweiz hingegen ist mit ihrer UBS mit einem blauen Auge davongekommen. Die heute erlassenen «Swiss Finish»-Vorschläge der Expertenkommission können jedoch nicht verhindern, dass ihr Grossbanken-Klumpenrisiko in einer nächsten Finanzkrise nicht doch noch ins Auge geht.


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