Expertengruppe „Too Big to Fail“: Laut Insider eigener „Königsweg“
AWP (21. April 2010) – Die Schweiz entscheidet sich für einen eigenen Weg, um das Problem der systemrelevanten Grossbanken zu lösen. Sie setzt den Hebel beim Kernkapital und bei den für das Land überlebenswichtigen Funktionen wie Löhne und Firmenkredite an, sagt eine mit dem Dossier vertraute Quelle gegenüber AWP.
Die sogenannte Expertengruppe „Too big to fail“ wird am (morgigen) Donnerstag ihren Zwischenbericht vorlegen. Konkrete Mindestkapitalquoten werden aber noch offen bleiben, sagt die Auskunftsperson. Diese sollen an einer zweitägigen Klausurtagung im Juni festgelegt werden.
Mit einem laut Quelle eigenen „Königsweg“ will die Schweiz das Problem von Grossbanken entschärfen, die bei einem Konkurs die ganze Realwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen können. So sollen UBS und Credit Suisse ihr Eigenkapital verstärken. Dabei geht es insbesondere um das sogenannte Tier-1-Kapital, welches das Kernkapital ins Verhältnis zu den risikogewichteten Anlagen setzt.
Schon heute müssen die beiden Schweizer Grossbanken ein höhere Tier-1-Ratio ausweisen als ihre internationalen Konkurrenten. Nun hat sich die Expertengruppe, bei der auch zwei hochrangige Vertreter der Grossbanken dabei sind, entschieden, weiter in diese Richtung zu marschieren und das Eigenkapital-Polster noch mehr zu stärken. Um wieviel, ist vorläufig noch offen.
Das Ziel des grösseren Kernkapital-Puffers ist der Zeitgewinn im Krisenfall. Höheres Eigenkapital würde helfen, auch harte Schläge länger abfedern zu können. Ebenfalls zur Abfederung beitragen sollen neuartige Fremdkapitalformen wie Contingent Convertible Bonds, kurz Coco genannt. Gemeint sind Obligationen, die als Entgelt für hohe Zinsen eine automatische Umwandlung in Aktien vorsehen, sobald gewisse Grenzwerte unterschritten werden.
Überraschend eher in den Hintergrund rückt die Leverage Ratio, welche ein Mindest-Eigenkapital gegenüber der Gesamtbilanz vorsieht. Diese Kennziffer war insbesondere der Nationalbank (SNB) ein Anliegen. Wenn die Expertengruppe morgen ihre Lösung präsentiert, wird aber auch SNB-Vize Thomas Jordan den gemeinsam ausgehandelten Vorschlag unterstützen.
Neben dem Faktor Zeitgewinn haben die Experten unter der Leitung des Berner Spitzenbeamten Peter Siegenthaler Massnahmen für den Fall beschlossen, dass eine Grossbank trotz dickerem Kapitalpuffer nicht innert nützlicher Frist gerettet werden kann. Laut der Quelle schlagen die Experten in ihrem Bericht vor, dass für diese schlimmste anzunehmende Krise die für das Land überlebenswichtigen Grundfunktionen ausgelagert und weiterbetrieben werden sollen.
Im Zentrum steht, dass Firmen und Menschen nicht plötzlich vor „geschlossenen“ Schaltern stehen. Die Auszahlungen der Löhne, der Zugang zum eigenen Vermögen und die Kredite für die Unternehmen sollen auch im absoluten Notfall gesichert sein, sagt die Quelle. Ob diese lebensnotwenigen Funktionen in der Krise tatsächlich rechtzeitig abgetrennt werden könnten, ist schwer vorhersehbar.
Die Quelle spricht von einem äusserst konstruktiven Klima in der Expertengruppe. Auch die beiden Grossbanken seien an einer Lösung interessiert gewesen, die nicht Wachstum abwürgen wolle, sondern die Risiken für die Gesamtwirtschaft eindämmen soll. Letzten Freitag und am Montag habe man sich in zum Teil längeren Sitzungen auf den Zwischenbericht geeinigt. Dass dieser bereits jetzt und nicht wie geplant erst in einigen Wochen vorgestellt werde, sei ein Zugeständnis an die politische Agenda. Das Parlament soll für die Abstimmung über den UBS-Staatsvertrag im Juni über die Stossrichtung der Too-big-to-fail-Problematik im Bild sein.