Der grosse Verlierer heisst Kaspar Villiger

20minuten.ch (14. April 2010) – Die UBS hält heute ihre GV ab. Der Verlierer steht bereits fest: Kaspar Villiger, der «Politiker» der UBS, der die politischen Zeichen nicht mehr sieht.

Im März 2009 trat er an als Mediator zwischen Zürich und Bern, zwischen Wirtschaftsmetropole und Bundeshauptstadt. Ein Jahr später kann ausgerechnet der 69-jährige Kaspar Villiger die politischen Zeichen an der Wand nicht mehr richtig deuten. Der Mann fürs Politische an der Spitze der gebeutelten UBS, der in der öffentlichen Arena Verständnis für die Probleme und Anliegen des Finanzmultis schaffen muss, hat sich mit seinen Entlastungsanträgen von heute völlig verrannt.

Insbesondere für das Jahr 2007, als Marcel Ospel und Peter Wuffli an der Spitze der Grossbank standen, könnte eine knappe Mehrheit gegen eine Entlastung der UBS-Führungsriege stimmen. 20 Minuten Online berichtet laufend. Nachdem immer mehr prominente Einzelaktionäre und grosse Eigentümervertreter die Décharge für die frühere UBS-Spitze mit den Ex-Präsidenten Marcel Ospel und Peter Kurer und den Ex-CEOs Peter Wuffli und Marcel Rohner ablehnen, desavouiert nun auch noch das offizielle Bern den Präsidenten der Grossbank. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats sagte gestern mit 15 zu 7 Stimmen Nein zur Décharge. Die hohen Boni würden den Politikern sauer aufstossen, begründete sie ihren überraschenden Entscheid, der «nur» symbolische Wirkung hat.

Finanziell gesund, ethisch am Boden

Doch gerade darum geht es, nachdem die UBS den finanziellen Turnaround geschafft hat und wieder Milliardengewinne schreibt. Die Schweiz als Heimat der Bank erwartet von der Spitze Dankbarkeit und Einsicht, man könnte altmodisch sagen: Demut. Und die Öffentlichkeit will endlich ein Zeichen sehen, dass die UBS die Lehren aus den gigantischen Fehlern gezogen hat und solider, nachhaltiger und bescheidener wirtschaftet. Beides hat «New UBS» unter Steuermann Villigers Führung bisher nicht geschafft. Wenn man sich auf die vielen Unmutsbezeugungen quer durch die Lager abstützt, urteilt eine Mehrheit der Schweizer kurz und bündig: «Nichts gelernt».

Statt die Décharge für die alte Führungsmannschaft zu beantragen, sollte UBS-Präsident Kaspar Villiger öffentlich und nachvollziehbar die Vergangenheit seines Instituts aufarbeiten. Dass er dies nicht will, kann nur zwei Gründe haben: Entweder hat Villiger seine wichtigste Fähigkeit, nämlich sein politisches Sensorium, verloren. Oder – schlimmer – Villiger ist eben doch nur eine Marionette in den Händen von UBS-Konzernchef Oswald Grübel, wie viele Beobachter längst behaupten.

Warum nur ist dem ehemaligen Bundesrat und geachteten Elder Statesman Villiger dieser Fauxpas unterlaufen? Der UBS-Präsident begründet seinen Antrag auf Entlastung für die alte Crew mit eigenen juristischen Abklärungen. Mehrere Gutachten hätten einen klaren Befund gezeigt: Zivile Klagen gegen die früheren Verantwortlichen der UBS, sogenannte Verantwortlichkeitsklagen, hätten kaum Aussicht auf Erfolg. Viel Aufwand für nichts, das sei nicht im Interesse der Eigentümer.
Als Präsident der Grossbank und damit oberster Delegierter der Aktionäre argumentiert Villiger zu Recht mit ökonomischen Folgen. Das ist seine Aufgabe, dafür ist Villiger gewählt, deshalb bezieht er 700 000 Franken Lohn. Wenn keine Aussicht auf Klageerfolg besteht und wenn die UBS nach vorne und nicht zurückblicken will, ist es richtig und nötig, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.

UBS ist längst kein normales Unternehmen mehr

Normalerweise. Doch bei der UBS fällt kaum noch etwas in die Kategorie normal. Die Bank musste zweimal vom Staat in höchster Not gerettet werden, sie hatte bis letzten Sommer eine staatliche Beteiligung, wegen ihrer Grösse stellt sie immer noch ein Klumpenrisiko für die kleine Schweiz dar, kurz: Die öffentliche Stimmung im Land ist entscheidend für das Unternehmen, sein politisches Personal wird sich weiter zu Wort melden, sich einmischen, den Rahmen für die Grossbanken und insbesondere für die UBS setzen. Das ist richtig, das soll so sein, und das müsste gerade von Villiger, einem der erfahrensten Staatsdiener der Schweiz, intuitiv begriffen werden. Dass er sich nach nur einem Jahr UBS-Präsidium dieser Erkenntnis verschliesst, ist unerklärlich.


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