Ein Jahr Grübel – der Richtige für die UBS?

20minuten.ch (23. Februar 2010) – Vor 52 Wochen übernahm Oswald Grübel mit einem Paukenschlag das Steuer bei der schlingernden UBS. Die Hoffnung auf eine Wende zum Besseren war gross. Sie hat sich bisher nicht erfüllt.

Am Abend des 17. November 2009 hätte sich Oswald Grübel eigentlich grämen müssen. Zusammen mit seinen Kollegen der Konzernleitung hatte er den Investoren den ganzen Tag lang die neue UBS angepriesen – mit unerwartetem Echo. Grübels Versprechen, wonach die Grossbank schon in wenigen Jahren 15 Milliarden Franken Gewinn erzielen würde, quittierten sie mit Massenflucht aus den UBS-Aktien. Offenbar trauten sie dem grossen UBS-Zampano das Kunststück nicht zu.

Davon liessen sich Grübel und seine Kollegen von der Teppichetage des Finanzmultis die Laune nicht verderben. In der Bar des Hotels Widder, das zum UBS-Reich gehört, genehmigten sie sich nach getaner Arbeit ein paar Drinks. Laut hätten sie über Alltägliches gescherzt und in keiner Weise an Geschäftsleute erinnert, die sich ernsthaft Sorgen um die Zukunft machen würden, schildern Beobachter die Szene.

Dienst nach Vorschrift

Dabei hätte die UBS-Spitze Grund genug zu leisen Auftritten. Die Bank befindet sich seit Monaten in einem eigentümlichen Schwebezustand. Dank den immensen Rettungshilfen der Schweiz besteht zwar keine akute Untergangsgefahr mehr. Doch ebensowenig hat sich die Grossbank am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, in dem sie nach ihren halsbrecherischen Manövern gelandet war.

Viele Mitarbeiter zeigen sich inzwischen ernüchtert vom Versprechen nach rascher Besserung und leisten Dienst nach Vorschrift. Dabei war die Aufbruchstimmung riesig, als Oswald Grübel, 66, vor einem Jahr überraschend zum Konzernlenker der UBS gekürt worden war. Grübel selbst, zuvor Chef von Konkurrentin Credit Suisse (CS), sprach in einer internen UBS-Mitteilung von einem «ungewöhnlichen Schritt», der jedoch «gut abgewogen» sei.

König der Kosten

Seine Vorschusslorbeeren hatte sich Grübel mit einem eindrücklichen Leistungsausweis bei seiner früheren Arbeitgeberin verdient. Der CS hatte er ab 2002 eine generelle Kostensenkung um 13 Prozent verordnet. Der Erfolg gab ihm recht, schon nach kurzer Zeit präsentierte sich die CS in frischer Form und konnte sich daran machen, ihren Rückstand auf die Konkurrenz zu verringern.

Bei der CS war Grübels grosse Kostenübung der Schlüssel zum Erfolg, viel mehr brauchte es nicht fürs Comeback. Aus zwei Gründen. Erstens profitierte die CS vom generellen Aufschwung, der im Frühling 2003 die Märkte erfasste. Wer wie die Schweizer im globalen Finanzgeschäft tätig war, konnte bald Rekordernten einfahren. Hinzu kam, dass die CS auch in der Vermögensverwaltung rasch Fortschritte machte. Kaum schrieb sie schwarze Zahlen, vertrauten ihr die Sparer neues Geld an. Zwei Jahre, nachdem Grübel die Sanierung angepackt hatte, befand sich die Bank auf Kurs.

Tristesse beim UBS-Kurs, an dem sich Grübel messen lassen will
Mit dem gleichen Plan packte Grübel vor Jahresfrist bei der UBS an. Kosten runter, Gewinne hoch, der Rest ergibt sich von allein, lautete sein Rezept. Zufall oder nicht, der neue CEO reduzierte die Fixkosten auch am neuen Ort um 13 Prozent. Nur genügte der Griff zum Kostenmesser diesmal nicht. Der Rückstand der UBS-Aktie auf den CS-Titel hat sich nicht wie erwartet verringert, sondern im Gegenteil ausgeweitet. Dabei gibt es gemäss Grübel keinen besseren Indikator als den Aktienpreis, um über Erfolg oder Misserfolg zu urteilen.

Kolossale Fehleinschätzung

Am 26. Februar 2009, dem Tag, als Oswald Grübel zur UBS stiess, schoss der Aktienkurs der Grossbank um 16 Prozent in die Höhe. Doch statt den Schwung zur Aufholjagd zu nutzen, hat die UBS inzwischen weiter an Boden gegenüber Konkurrentin Credit Suisse verloren.

Um wieder Fahrt aufzunehmen, benötigt die UBS mehr als nur ein geringeres Kostengewicht. Eine Strategie ist gefragt, die das beschädigte Schiff drehen kann «New UBS» als echter Neuanfang statt «more of the same» – das verlangen die Anleger offenbar von Grübel und seinem Führungsteam.

Das Problem dabei ist das gleiche wie die vermeintlich geniale Lösung: Grübel. Dessen zahlreiche Erfolge erzielte er als instinktsicherer Händler und gnadenloser Kostenzerschlager. Nun scheint ihn sogar sein sagenhaftes Timing im Stich zu lassen. Nach wenigen Monaten an der Spitze der Grossbank soll er jedenfalls Journalisten im vertraulichen Gespräch gesagt haben, der Turnaround sei praktisch geschafft, die UBS würde sich schon bald wieder in alter Form präsentieren. Eine kolossale Fehleinschätzung des Topshots mit seinem scheinbar untrüglichen Gespür für die Lage.

Fokussiert statt universell

Wäre Grübel hingegen ein Stratege, würde er sich fragen, zu welchen Spitzenleistungen die UBS nach ihrer Havarie noch in der Lage ist. Ist sie vor allem eine globale Beraterin für die vermögende Klientel? Oder soll sie eine umfassende Palette von Anlage-, Zahlungs- und Kreditdienstleistungen für Privatkunden und Firmen erbringen? Oder will sie erneut eines der grössten und mächtigsten Finanz-Spekulationshäuser werden? In welcher Kombination schliesslich könnte die UBS dereinst am meisten Werte für Mitarbeiter, Kunden, Investoren und Volkswirtschaft schaffen?

Solch fundamentale Überlegungen sind nicht Grübels Sache. Die Rückkehr zum Erfolg werde «nur möglich sein, indem wir im Investment Banking das Geschäftsmodell den sich ändernden Verhältnissen weiter anpassen und auf ein adäquates Gewinnniveau zurückkehren, und indem wir die Profitabilität auch in den anderen Bereichen weiter steigern», liess der neue Kapitän die UBS-Mitarbeiter am 26. Februar 2009 zum Amtsantritt wissen. Seine neue Grossbank, das stand für Grübel von Beginn weg fest, sollte vor allem eines: gross bleiben. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nun stellt sich die Frage, ob Grübel tatsächlich die richtige Wahl für die neue UBS war.


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