Merz hat sich selbst die Frankreich-Falle gestellt

20minuten.ch (22. Dezember 2009) – Der Finanzminster will das neue Steuerabkommen mit Frankreich auf Eis legen und protestiert so gegen den Datenklau bei der Genfer HSBC. Doch das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Es scheint, dass Merz vor allem versucht, neuen persönlichen Goodwill zu schaffen. Statt dessen trampte er in eine weitere Falle.

Nach zwei Wochen Irrungen und Wirrungen schreckte heute der französische Budgetminister Eric Woerth die Schweiz erneut mit der Aussage auf, dass er mit gestohlenen Daten Jagd auf 3000 inländische Steuerzahler machen würde.

Überraschen darf das niemand. Die Schweiz nutzte vor ein paar Jahren ebenfalls gestohlene Daten im Fall des Liechtensteiner Treuhänders Batliner, die sie von Deutschland erhalten hatte. Warum also sollte Frankreich nicht das Gleiche tun?

Frankreich könnte Rechtshilfe beantragen

Der Datensatz, um den es heute geht, stammt vom französisch-italienischen Informatiker Hervé Falciani, 38. Dieser saugte Tausende von Kunden-Informationen aus dem Computersystem der Genfer Filiale der englisch-asiatischen Grossbank HSBC ab. Er versuchte anfänglich erfolglos, das Material zu verkaufen, um es schliesslich den französischen Strafermittlern auszuhändigen.

Ob die Franzosen für diese 3000 Kunden bei uns Rechtshilfe beantragen werden, ist noch offen. Sie könnten dies, wenn ein Abgabebetrug vorliegt. «Das wäre dann erfolgversprechend, wenn es Hinweise auf ein Lügengebäude geben würde», sagt der St. Galler Steuerrechtsprofessor Robert Waldburger, der bis 2007 beim Bund für internationale Steuerabkommen zuständig war. «Wegen einfacher Hinterziehung würde die Schweiz aber bestimmt keine Informationen aushändigen».

Merz gefährdet wichtiges Steuerabkommen mit Frankreich

Das Kernproblem der HSBC-Affäre ist ein anderes. Die laute Drohung der Schweizer Regierung, das zukünftige Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Frankreich zu sistieren, wenn der Nachbar nicht auf Verwendung der gestohlenen Daten verzichtet, leuchtet nicht ein. Denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Tatsächlich ist das DBA nämlich im ureigenen Interesse der Schweiz, bestätigt Steuerexperte Waldburger im Gespräch mit 20 Minuten Online. «Es enthält sowohl für den schweizerischen Fiskus als auch für die Wirtschaft vorteilhafte Regelungen und schliesst die Anwendung von verschiedenen Gegenmassnahmen des französischen Rechts aus gegen Staaten, die keinen genügenden Informationstaustausch gewähren.» Ohne diesen Vertrag könnte beispielsweise eintreten, dass Dividenden auf Schweizer Aktien keinen Steuervorteil mehr erhielten. Dann aber würden Franzosen kaum mehr Schweizer Titel kaufen.

Verlorenen Goodwill zurückholen

Wenn das neue Abkommen aber im Interesse des Landes ist: Warum droht dann Finanzminister Hans-Rudolf Merz, das neue DBA zu sistieren? Naheliegend ist, dass der gebeutelte Bundespräsident verlorenen Goodwill in der Schweiz zurückholen will, ohne die internationalen Auswirkungen seiner Reaktionen zu berücksichtigen.

Bei den Schweizer Banken erhält Merz jedenfalls Applaus für seine Frankreich-Schelte. Privatbankier-Präsident Konrad Hummler sagt im Gespräch, dass die Schweiz damit klarmachen würde, dass sie keine Informationen aushändige, wenn ausländische Staaten mit geklauten Daten operieren würden.

Damit sei allerdings wenig gewonnen, gibt Steuerprofessor Waldburger zu bedenken. «Die Schweizer Banken blenden aus, dass das Problem bei ihnen, bzw. ihren ungetreuen Angestellten liegt». Ob gestohlene Daten verwendet würden, hänge vom ausländischen internen Recht ab. «Wenn die Datenqualität gut ist, benötigen die ausländischen Staaten gar keine internationale Kooperation der Schweiz mehr, weil sie die Strafverfahren ohnehin führen können», sagt Waldburger.


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