Hundert zu Null für Credit Suisse

20minuten.ch (11. November 2009) – Der mit Spannung erwartete Bericht der Finanzmarktaufsicht (Finma) zur Vergütung bei Banken und Versicherungen ist ein Kniefall vor den Grossbanken. Genauer: vor der Credit Suisse (CS).Die definitiven Lohnvorschriften der Finanzmarktaufsicht (Finma) stammen weitgehend aus der Feder der Credit Suisse. Der oberste Regulator verzichtet auf eine Offenlegung bei den Topsalären von Händlern und akzeptiert weiterhin garantierte Boni in Millionenhöhe.

Alles wie gehabt im Grossbankenland Schweiz, aus der Krise wurde nichts gelernt. Die UBS hat derart viel gutzumachen, dass sie sich nicht zum entscheidenden Vorschlag der Aufsicht geäussert hat. Die CS tat dies umso ausführlicher. Und ihre Bedenken wurden vom Regulator weitgehend akzeptiert. Am Paradeplatz knallen am Mittwochmorgen die Champagnerkorken.

Da war zum Ersten die Offenlegung der Topsaläre nicht nur der Chefs, sondern auch der Händler und sonstigen Spitzenverdiener, die grosse Risiken eingehen. Die Finma sah in ihrem Entwurf vor, diese Saläre einzeln zu zeigen. Davon ist sie abgerückt. Jetzt schreibt sie: «Die Finma verlangt eine summarische Offenlegung der Vergütungsstruktur für alle Mitarbeitenden. Die Finma sieht hingegen nicht vor, dass Vergütungen unter Namensnennung offen zu legen sind.»

Hundert zu Null für die Credit Suisse

Die CS kann jubeln. In ihrer Eingabe vom 14. August, die die Finma heute früh zusammen mit allen übrigen Stellungnahmen publiziert hat, schrieb die Grossbank: «Problematisch und (zumindest zurzeit) abzulehnen sind vor allem die vorgeschlagenen Informationspflichten unterhalb der Geschäftsleitungsebene. Sie sind im jetzigen Zeitpunkt international derart „einzigartig“, dass sie für Schweizer Finanzinstitute schwerwiegende Konkurrenznachteile nach sich ziehen werden.»

Die CS argumentiert mit ausländischen Konkurrenten, für die es dank diesen Informationen «ein Leichtes» wäre, «gezielt und mit wenig Aufwand die besten Kader unterhalb der Geschäftsleitungsebene abzuwerben». Die Grossbank schlug statt dessen eine «ersatzlose Streichung» dieser Vorschriften vor; wenigstens «bis nicht international koordiniert eine derartige Segmentsberichterstattung von allen führenden Aufsichtsbehörden verlangt» würde.

Kastrierte Finma

Die Finma gehorchte. Und hat sich faktisch kastriert. Die Grossbanken haben die Welt im 2008 an den Abgrund geführt, weil sich ihre Händler in eine unkontrollierte Gang von Spekulanten verwandelt hatten, mit einem einzigen Ziel vor Augen: Wie können wir unseren Bonus möglichst schnell maximieren? Was mit der Bank und in letzter Konsequenz mit der Allgemeinheit, dem Volk, passierte, interessierte viele keinen Deut.
Die Transparenzvorschrift hätte die grössten Risikonehmer namentlich aufgeführt. Transparenz ist gut, sie diszipliniert, sie legitimiert. Ein Investmentbanker, der 40 Millionen Dollar im Jahr verdient, muss dann beweisen, dass er sein Geld Wert ist. Und die Bank muss aufzeigen, wie sie ihren Star unter Kontrolle halten will.

Nichts davon findet sich im definitiven Finma-Reglement, das in zwei Monaten in Kraft tritt. Statt dessen sind weitere Unsitten zu finden. So kann die Finanzindustrie weiterhin garantierte Boni ausrichten, wenn jemand den Job wechselt. Auch da schwenkte die Aufsicht auf die CS-Linie ein. «Wenn ein Mitarbeiter aufgrund des Vergütungsmodells seines bisherigen Arbeitgebers bei einem allfälligen Stellenwechsel auf signifikante Ansprüche verzichten muss, zwingt uns die Marktrealität, diese Einbussen zumindest teilweise auszugleichen», forderte die Grossbank in ihrer Eingabe. Und kriegte von Bern, was sie wollte.

Sind die Teuersten die Besten oder die Frechsten?

Von absoluten oder nur schon relativen Obergrenzen bei den Boni hat die Finma nie viel gehalten, da brauchte es nicht einmal den Druck der Branche. Das Standardargument lautet diesbezüglich: Wir verlieren die besten Leute, wenn wir nicht frei sind bei der Lohn- und Bonusvergabe. Frei sein bedeutet, dass CS-CEO Brady Dougan nächstes Jahr über 40 Millionen Franken einstreichen könnte – eine völlig neue Dimension für die Schweiz, und das zwei Jahre nach der Krise.

Würden die Besten wirklich gehen? Sind die Teuersten die Besten? Oder sind sie einfach die Frechsten, die wissen, wie das Lohn- und Bonusspiel läuft? Die Grossbankenchefs argumentieren mit dem Spielraum im internationalen Wettbewerb um die talentiertesten Spezialisten. Es waren aber die Wetten vieler dieser «Stars» sowie ihre Chefs, die sie an der langen Lohn- und Kontrollleine liessen, die der UBS mit Verlusten von über 50 Milliarden Dollar das Genick brachen und die den Schweizer Steuerzahler 40 Milliarden Franken Notrettung kosteten.

Wie wäre es damit? Fünf Millionen Franken Obergrenze, zusammengesetzt aus einem fixen und einem variablen Teil, mehr ist keiner wert. Keine komplizierte Lohn- und Bonusmodelle mehr mit endlosen Diskussionen darüber, was echte und was nur Schein-Gewinne sind, wie viel vom Bonus in Aktien oder in Cash zu erfolgen hat, wann der Bonus ausbezahlt wird etc. Bei all diesen Modellen, Mikrovorschriften und Rechnungsspielereien sind die Bankiers immer im Vorteil. Sie kennen das System, sie wissen, wo die Lücken sind, während der Regulator ein Schritt hinterherhinkt. Oder zwei. Oder drei.

Sollen sie gehen

Sind fünf Millionen Obergrenze sozialistischer Humbug? Eine Talent-Ausblutung der Grossbanken? Falsche Frage. Die Obergrenze würde zu einer echten Risikobeschränkung führen. Die Grossbanken verlieren ihre besten Investmentbanker? So what, die haben das Debakel zusammen mit ihren Chefs angerichtet und sind besser in Hedgefunds aufgehoben, wo sie mit ihrem eigenen Geld und jenem ihrer Freunde spielen können. Für die sinnvollen Teile des Investmentbankings finden sich genügend Talente, die mit fünf Millionen pro Jahr gut leben können.

Und CS-CEO Dougan oder Walter Berchtold als CS-Private-Banking-Chef und die vielen anderen Topshots der Grossbanken? Würden sie für maximal fünf Millionen am Zürcher Paradeplatz den Griffel nicht mehr zur Hand nehmen und statt dessen nach London oder Manhattan auswandern? Kann sein. Dann kämen andere Chefs ans Ruder, die akzeptieren würden, dass sich die Zeiten geändert haben. Ein stärkeres Signal an die Kunden, Investoren, Mitarbeiter und Steuerzahler ist kaum vorstellbar. Und dieses hiesse: Wir sind risikobewusste Bankiers, die langfristige Gewinne erwirtschaften wollen. Für alle, nicht nur für uns.

Die Finma-Lohnregulierung geht in die gegenteilige Richtung. Sie lässt Tür und Tor offen für weiteres Gambling. Der Kniefall von heute ist ein neuer Tiefpunkt in der Krise.


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