Oracle-Designer spionierte Alinghi aus

20minuten.ch (13. Mai 2009) – Der Kampf der America’s-Cup-Segelgiganten hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Ein Oracle-Mitglied spionierte mit einer Digitalkamera die Alinghi-Werft in der Romandie aus. Das 20 Minuten Online vorliegende Protokoll gibt Einblick in die kruden Machenschaften rund um die wichtigste Segeltrophy.

Jean Antoine Bonnaveau ist Franzose, lebt in Valencia, hat Frau und Kind und arbeitet für das US-Segelteam BMW Oracle von Milliardär Larry Ellison, wo er 10’000 Euro im Monat verdient. Bonnaveau, ein bisher in der Öffentlichkeit unbekanntes Teammitglied im Millionenzirkus America’s Cup, sorgt derzeit für helle Aufregung in den globalen Medien.

«New York Times», «Guardian» und Bloomberg berichten über den 50-Jährigen, der sich am 28. und 29. April aufmachte, das im Geheimen entstehende Boot von Oracle-Konkurrentin Alinghi zu fotografieren.

Bonnaveau: «Spionieren gehört zum America’s Cup»

Bei seinem Spionagetrip nach Villeneuve am Ostende des Genfersees, wo das Schweizer Segelteam ein geheimes Boot für den Zweikampf mit Oracle um die Austragung des nächsten America’s Cup entwickelt, wurde Bonnaveau erwischt und auf Video aufgezeichnet. Nach einer Alinghi-Anzeige nahm ihn die französische Polizei auf der Durchreise nach Spanien fest. Im Verhör gestand Bonnaveau seine Tat.

Reue zeigte er aber keine. Es gehöre zum 150 Jahre alten Event, dass man «hartnäckig und mühsam für andere Teams technische und sportliche Informationen über die Konkurrenz beschafft», sagte Bonnaveau bei seiner Einvernahme am 1. Mai in Montpellier.

Alinghi beschuldigt Bonnaveau der Verletzung ihrer Privatsphäre. Dass der Zwischenfall gerade jetzt öffentlich bekannt wird, dürfte kein Zufall sein. Morgen geht die juristische Schlacht zwischen Oracle und dem Schweizer Team des Genfer Milliardärs Ernesto Bertarelli in die nächste Runde.

Alles nur Winkelzüge für die nächste juristische Schlacht?

Ein US-Gericht muss entscheiden, wann und wo der Zweikampf um die Zukunft des America’s Cup ausgetragen wird. Die Amerikaner fordern ein Rennen bis nächsten Februar auf der Südhalbkugel, Alinghi will an Valencia festhalten, wo der letzte Cup ausgetragen wurde. Dann aber verschiebt sich der Termin in den Sommer, was dem Reglement für ein derartiges Duell widerspricht.

Vor dem Hintergrund dieser anhaltenden Gerichtsschlacht machte sich Oracle-Spion Bonnaveau mit seinem Volvo mit französischem Kennzeichen auf, für seinen vermögenden US-Arbeitgeber die Alinghi-Geheimwaffe auszukundschaften. Bonnaveau übernachtete im Hotel «Bon Port» in Montreux und fuhr am Morgen des 28. Aprils die wenigen Kilometer nach Villeneuve.

«Ich nahm die Dimensionen der Zelte auf, notierte mir die Distanz zwischen den Pfosten für die Lampen und die Dimensionen des Gebäudes, all das, um gewisse Vergleiche anzustellen», sagte Bonnaveau den französischen Polizisten, die ihn vor zwei Wochen befragten.

Das Wichtigste fehlte

Mit seinem Lenovo-Laptop, dem Nokia-Handy und einer Olympus-Digitalkamera habe er zwei ganze Tage auf dem Alinghi-Areal in Villeneuve verbracht, sagte der Franzose mit spanischem Wohnsitz. Wichtige Informationen seien ihm jedoch verborgen geblieben. So habe er am Ende der langen Observation gemerkt, dass entscheidende Teile wie der Rumpf des neuen Alinghi-Boots – in der Fachwelt wird für den Zweikampf mit Oracle mit einem Katamaran, einem Zweirumpfboot, gerechnet – nicht auf dem Areal konstruiert würde.

Hingegen bemerkte Bonnaveau gemäss Einvernahmeprotokoll nach einer gewissen Zeit, dass ihn Brett Ellis, ein Designer vom Team Alinghi, mit einer Videokamera filmen würde. «Ich kehrte zu meinem Auto zurück, Brett filmte das Innere meines Wagens, dessen Kennzeichen und auch mich persönlich», sagte Bonnaveau einer Untersuchungsbeamtin. «Ich begrüsste ihn, wir machten ein wenig Smalltalk. Dann stieg ich in meinen Wagen und fuhr davon. Er filmte weiter, bis ich das Areal verlassen hatte.»

Zwei Berichte, keine Schuld

Wirklich brisante Informationen habe er keine gefunden, behauptet der Oracle-Angestellte. «Wenn ich die im Internet frei verfügbaren Bilder der Anlagen im Zelt auf dem Alinghi-Areal berücksichtige, dann denke ich nicht, dass meine Bilder vom Zelt von aussen kriminell sein könnten», sagte Bonnaveau.

Nach eigenen Angaben verfasste Bonnaveau zwei Berichte zuhanden seines Auftraggebers, die er noch Ende April per Mail verschickte. Der Beschluss, ihn mit dem Auskundschaften des Alinghi-Geheimprojekts an den Genfersee zu schicken, sei vom ganzen BMW-Oracle-Team in Valencia gefällt worden, sagte Bonnaveau, der seine Aussagen mit dem Satz beendete: «Ich glaube nicht, dass ich Gesetze verletzte durch das, was ich tat.»


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