Die UBS muss ihr Tafelsilber verkaufen
20minuten.ch (20. April 2009) – Der neue UBS-Konzernchef lässt seinen Worten rasch Taten folgen. Am Mittwoch kündigte er die Überprüfung sämtlicher Geschäftszweige an, heute gibt die Bank den vollständigen Rückzug aus dem Brasiliengeschäft bekannt. Auf Käuferseite soll Ex-UBS-Kadermann Martin Liechti involviert sein.
Die UBS verkauft ihr Tafelsilber, anders kann man den Verkauf der Tochter UBS Pactual, den vollständigen Rückzug aus dem Brasiliengeschäft, kaum interpretieren. Die Transaktion zeigt, wie dringend die Grossbank ihre Risiken reduzieren muss und wie radikal der neue Konzernchef Oswald Grübel die UBS in ruhigere Gewässer führen will.
Wenn nicht einmal mehr die boomende und in den letzten Jahren in den eigenen Geschäftsberichten hochgelobte Brasilientochter Pactual vor einem Verkauf sicher ist, dann sagt dies mehr aus als sämtliche Bekenntnisse, ein globaler Leader in der Finanzindustrie sein zu wollen.
Risiken reduzieren
Die UBS selbst spricht von einer Abwägung. «Mit dem Verkauf von Pactual reduzieren wir unsere Risiken und können dadurch unsere Eigenkapitalsituation verbessern», sagt Pressesprecher Christoph Meier. Die sogenannte Kernkapitalquote der UBS (Tier 1) steigt laut Communiqué von 10 Prozent auf 10,6 Prozent, weil der Verkauf die Bilanz der Bank verkleinert.
Das verschafft der Schweizer Grossbank zwar etwas Luft, weil sie nach früheren Worten nicht unter die 10-Prozent-Grenze beim Tier 1 fallen möchte, was den Geldabfluss von Kunden beschleunigen könnte. Doch dafür bezahlt sie einen Preis. «Der Pactual-Verkauf führt zu einem Verlust, dessen Höhe wir am 5. Mai publizieren werden, wenn wir das erste Quartal im Detail vorstellen», sagt Sprecher Meier.
Dreifache Überraschung
Der Deal ist aus drei Gründen speziell. Erstens verkauft die Bank ein Investment, das sie in den letzten Jahren als grossen Erfolg bezeichnete, mit einem Verlust. Zweitens ist der Käufer der Gleiche wie damals der Verkäufer. Und drittens zieht sich die UBS aus einer der grössten Wachstumsregionen der Welt zurück und verliert damit zum Teil das Etikett «global». Die UBS werde nach Abschluss der Transaktion in Brasilien keine Präsenz mehr haben, bestätigt Meier.
Zum ersten Punkt: Als die UBS vor drei Jahren Pactual erwarb, galt der Deal zwar als teuer, aber schien perfekt zur Wachstumsstrategie zu passen. Damals sprach die Bank von einem Netto-Kaufwert von 2,5 Milliarden Dollar. Gemäss ihrer heutigen Mitteilung löst sie nun exakt gleichviel. Warum daraus trotzdem ein «kleiner Verlust» resultiert, könnte mit dem Mix aus Cash und der Übernahme von Schulden zusammen hängen. Offenbar sind die Schulden von Pactual in den drei Jahren bei der UBS gestiegen, womit bei gleich bleibendem Wert der bar zu bezahlende Anteil kleiner geworden ist.
Ex-UBS-Starbanker André Esteves ist der lachende Gewinner
Sicher ist, zweitens, dass die UBS die Verliererin dieses Deals ist. Der grosse Gewinner heisst André Esteves und ist kein Unbekannter innerhalb der UBS. Esteves ist einer der jüngsten Milliardäre Brasiliens. Ursprünglich ein Informatiker, stieg er ins Handelsgeschäft von Pactual auf und machte die einstigen Partner mit Krediten gegen Pactual-Anteilsscheinen als Sicherheit von sich abhängig, als sich diese in einer früheren Krise verschulden musste. Mangels flüssigen Mitteln verloren die Schuldner bei Fälligkeit der Kredite ihre Bank an den jungen Aufsteiger.
Im Frühling 2006 nutzte Esteves den Börsenhype, um Kasse zu machen. Er löste Milliarden für sich und seine übrig gebliebenen Partner und sicherte sich gleichzeitig den Job des UBS-Brasilienchefs. Als die Subprimekrise im Sommer 2007 ausbrach, übernahm er zusätzlich die Leitung des Zinsengeschäfts in London, wo die Schweizer ihre Milliardenverluste erlitten hatte.
Dem ehrgeizigen Banker wurden Ambitionen auf den Chefposten des Investmentbankings nachgesagt. Nachdem er diesen nicht kriegte, war die Rede davon, dass er zusammen mit reichen Brasilianern, darunter der schweizstämmige Jorge Lemann, eine unfreundliche Übernahme der geschwächten UBS planen würde. Vor ein paar Monaten sprang Esteves ab und gründete die Investmentgesellschaft BTG, die einige Beobachter ironisch «Back to the Game» nennen.
Martin Liechti hat Finger im Spiel
Mit dem Rückkauf von Pactual liefert Esteves einen weiteren Beweis seines eindrücklichen Könnens. Geholfen haben soll ihm auch Ex-UBS-Generaldirektor Martin Liechti, 48, der vor Jahresfrist in den USA als wichtiger Zeuge im US-Steuerfall monatelang festgehalten wurde und kürzlich aus der Bank ausgeschieden ist.
Laut UBS-Kennern soll Liechti, der lange Jahre für das ganze Nord- und Südamerikageschäft der Schweizer verantwortlich war und fliessend portugiesisch, noch mehr Vermögen von reichen UBS-Brasilienkunden zu Esteves‘ neuer Pactual bringen. Viele vermögende Brasilianer halten Gelder im weit verzweigten UBS-Reich ausserhalb Brasiliens. Von Liechti war kein Kommentar erhältlich.
Schwarzer Fleck auf der UBS-Landkarte
Fazit des heute bekannt gemachten Deals ist, drittens, der schrittweise Rückzug der UBS aus Kernmärkten. Ende Dezember hatte die Bank bereits ihre 1,6-Prozent-Beteiligung an der Bank of China veräussert. Damals verkündete sie gleichzeitig, im Markt China präsent bleiben zu wollen. Trotzdem wurde der Entscheid bereits damals von einigen Beobachtern als «Verkauf des Tafelsilbers» interpretiert.
Nun folgt der vollständige Rückzug aus Brasilien, wo als grosse Ausnahme die Finanzbranche bisher auch in der Krise floriert hat. Geht man trotz Gefahren langfristig von einer wachsenden Bedeutung der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) aus, dann wird die UBS im Unterschied zur CS einen tiefschwarzen Fleck auf der globalen Landkarte ausweisen.