UBS-Umbau: «Ich habe grosse Fragezeichen»

20minuten.ch (28. Januar 2009) – Markus Granziol war bis 2002 Chef der UBS-Investmentbank. Die jetzt angekündigten Umbaupläne der UBS machen für ihn durchaus Sinn. Grosse Zweifel meldet Granziol aber bei der Frage an, ob das heutige Management zum strategischen Umbau überhaupt in der Lage ist.

20 Minuten Online: Herr Granziol, was sagen Sie zu den Geheimplänen der UBS-Führung, die Grossbank auf einen starken Schweizer Kern mit Retailgeschäft und Offshore-Banking aus dem Inland heraus zu reduzieren?

Markus Granziol: Ein solcher Umbau würde Sinn machen. Das Experiment, im Investmentbanking weltweit führend zu sein, ist bekanntlich gescheitert. Ihre enorme Bilanz ist weiterhin eine Belastung für die UBS; eigentlich ist sie eine Belastung für das ganze Finanzsystem der Schweiz. Ihre Grösse steht in keinem Verhältnis zur Grösse des Landes, der Nationalbank, der Überwachung. Vermutlich ist der Druck auf die UBS-Spitze, das Geschäft herunterzufahren, gewaltig.

Druck von der Politik?

Ich glaube nicht, dass der Staat direkt Einfluss nimmt. Aber die Leute antizipieren, dass Veränderungen sowieso kommen werden. Hinzu kommen die negativen Erfahrungen mit den Geschäften in den USA, die reelle Gefahr, dass die UBS wegen dem Steuer-Rechtsstreit mit den US-Behörden die Lizenz im Investmentbanking verliert – all das setzt den Verantwortlichen zu und zwingt sie zum Handeln.

Wie könnte ein Rückzug aus dem Investmentbanking und weiteren bisher wichtigen Teilen erfolgen?

Ich hätte mir einen Deal wie jenen von Morgan Stanley mit der Citigroup erhofft. Auch die UBS hätte ihr Brokerage (Handelsgeschäft für Grosskunden, Anm. d. Red.) mit einem US-Konkurrenten zusammenlegen können. Schade, dass die UBS diesbezüglich nicht sehr aktiv geworden ist. Der Rest des Investmentbankings wie das Handelsgeschäft, die Analyse usw. wird heute schon grösstenteils aus den USA und England heraus betrieben, wurde bereits stark redimensioniert und kann weiter verkleinert werden. Im Beratungsgeschäft zählte die UBS nie zu den grossen drei und hat entsprechend nie sonderlich viel verdient. Einiges kann man auch behalten.

Welche Bereiche sind das?

Beispielsweise das phänomenale und weltweit präsente Aktiengeschäft. Hingegen hat die Bank ihr Zinsengeschäft (dort entstanden die Milliardenverluste) schon stark verkleinert. Und das starke Devisengeschäft betreibt die UBS mehrheitlich aus Zürich heraus. Das Asset Management (Vermögensverwaltung für Hedgefunds und grosse Pensionskassen) ist in Chicago angesiedelt, dessen Zukunft ist wohl offen.

Kann es ganz wegfallen?

Möglich. Entscheidend ist bei allem die Umsetzung. Ist das heutige Management dazu in der Lage? Ich habe grosse Fragezeichen. Ziel muss sein, dass auch der Aktionär und der Kunde etwas von der Übung haben. Sonst läuft der Umbau auf ein Verscherbeln hinaus, so wie dies der Fall ist bei AIG, der maroden US-Versicherung, die derzeit ihre Geschäfte auf den Markt werfen muss und fast nichts dafür kriegt.

Offensichtlich gibt es keine besseren Leute als die heutigen UBS-Chefs, die bereit sind, das Steuer in die Hand zu nehmen.

Dieses Argument ist nicht glaubwürdig. Die UBS muss als Erstes aus der US-Steuergeschichte herauskommen, und da sind Peter Kurer als Ex-Konzernanwalt und Marcel Rohner als Ex-Chef der Vermögensverwaltung direkt gefordert und involviert und entsprechend in der zentralen Schusslinie, vor allem Präsident Kurer. Aus der Sicht der USA, aber auch Brasiliens oder Thailands handelt es sich bei dieser Art von Geschäft, bei dem die Banker vor Ort mit Kunden verhandeln, um kriminelle Machenschaften. Dieses Problem könnte von einer bisher nicht involvierten Person besser gelöst werden.

Was kommt sonst noch auf die UBS zu?

Die UBS steht vor massiven Veränderungen, vor allem intern. Dieser Prozess wäre eher erfolgversprechend, wenn das Management aus international erfahrenen Bankern bestehen würde. Die heutigen obersten Chefs haben diese Erfahrung nicht. Ihre jetzige Umbauidee könnte gut sein, aber eine von ihnen geleitete Umsetzung nur mässig.

Was sind die Folgen bei einem Scheitern?

Die UBS hat Schulden von knapp 2000 Milliarden Franken in der Bilanz. Vergleichen Sie das mit den Reserven der Nationalbank, die im schlimmsten Fall hinstehen, oder dem Staat Schweiz, der mit Garantien das Problem lösen muss. Wenn sich die Bankenkrise wie befürchtet weiter verschärft, muss man diese Grenzen im Auge behalten. Und ob die Pläne zur Beruhigung beitragen und die Bank stabilisieren, ist offen. Wir wissen nicht, wie die Ratingagenturen darauf reagieren würden.

Was sollte mit der Vermögensverwaltung passieren, welche die UBS vor Ort, also in Deutschland, im übrigen Europa, in den USA, Brasilien, Asien betreibt?

Onshore war schon immer ein Fehler, die UBS hat damit nie richtig Geld verdient. Das Offshore-Geschäft wird überleben, wenn die Schweiz den Mut hat, ihr Bankgeheimnis zu schützen. Aber man muss das Modell ändern und das Offshore-Geschäft auch wirklich aus der Schweiz heraus betreiben und die Kunden in der Schweiz empfangen. Viele mögen das vielleicht nicht, dann verliert man halt einen Teil des Kundenstamms. Aber es wird nicht mehr möglich sein, Kunden in Brasilien und in den USA zu besuchen und dabei Gesetze dieser Länder zu verletzen.

Und der Kundenberater riskiert sogar Gefängnis.

Genau, das von seinen Bankern zu verlangen, ist unzumutbar, ja eigentlich kriminell. Aber wenn die UBS und die übrigen Schweizer Vermögensverwaltungsbanken ihr Offshore-Geschäft aus der Heimat heraus betrieben, nach unseren eigenen Gesetzen, dann geht das. Man kann den Kunden erklären, dass man die Gesetze des Auslands zu respektieren hat, aber auch, dass es gutes Recht ist, im eigenen Land, also der Schweiz, nach den eigenen Gesetzen, also jenen der Schweiz, die Kunden zu beraten.

Führt dies zu Lohneinbussen für die Kundenberater der UBS und anderen Schweizer Banken?

Der weltweite Vermögensverlust in dieser Krise wird auf 60 000 Milliarden Dollar geschätzt, davon fallen rund 20 000 Milliarden oder ein Drittel auf die reichen Menschen. Das bedeutet, dass auch das Private Banking leiden wird, denn die Gebühreneinnahmen werden enorm zurückgehen. Diese Anpassung trifft selbstverständlich die Schweiz. Die Banken können die Entwicklung aber abfedern, indem sie ihre Kundenberater daran gewöhnen, etwas weniger zu verdienen. Ein Banker kriegt dann halt nicht mehr unbedingt mehr als ein Ingenieur. Das wäre auch nicht das Ende der Welt. Die ganze Kultur, sich schnell zu bereichern, muss gebrochen werden. Je schneller, desto besser.

Box: Lange Jahre bei der UBS

Markus Granziol, Jahrgang 1952, hat in Zürich Wirtschaft studiert und 1980 den Doktortitel erworben. Nach zwei Jahren bei der Schweizerischen Nationalbank wechselte er 1987 zur Schweizerischen Bankgesellschaft SBG (später UBS), wo er als Investementbanker in Zürich und Hongkong arbeitete. Von 2000 bis 2002 war Granziol Chef der UBS-Investmentbank.


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