Neuer Tag, neues Zittern
20minuten.ch (23. September 2008) – Die Kritik am US-Rettungsplan für die Finanzindustrie nimmt zu. Ökonom Paul Krugman fordert eine Denkpause. Die Aktien der UBS und weiterer Bankkolosse stürzten in New York ein.War das Aufschnaufen nur von kurzer Dauer? Am Freitag schossen die Börsen ins Plus, vor allem die Banktitel machten einen Sprung nach oben, mit dem Plus der UBS um 30 Prozent an der Spitze. Doch als Wall Street gestern eröffnete, war die Partystimmung schon wieder verflogen. Der Dow-Jones-Index rasselte um über 3 Prozent in die Tiefe, und die in New York ebenfalls gehandelten UBS-Aktien sanken um über 10 Prozent auf gut 19 Dollar. Entsprechend schwach dürfte der Titel heute in den Börsentag gehen.
Die Mutter aller Fragen: Kann das Paket die Banken retten?
Die Skepsis gegenüber Finanztiteln hat mit ungelösten Fragen rund um das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket der US-Behörden zu tun. Welche Bank kriegt wie viel aus dem Geldtopf? Für welche faulen Kreditpapiere? Zu welchem Preis? Wann? Und die Mutter aller Fragen: Kann das riesige Hilfspaket die Finanzkrise lösen?
Fast macht es den Eindruck, als würden die Verantwortlichen in den USA aus Angst vor diesen unangenehmen Fragen Alarmstimmung verbreiten und eine Strategie des «Augen zu und durch» verfolgen. Präsident George Bush liess sich lange fast nicht zur maroden Wirtschaft und den aufgeblasenen Bankbilanzen vernehmen. Nun hat er sich innert weniger Tage mehrmals ans US-Publikum gewendet. Bush, seine Minister und die Finanzspezialisten in den Ämtern warnen vor Verzögerungen und wollen ihr Programm noch diese Woche durch das Parlament pauken.
Krugman fordert Denkpause
Dagegen wehrt sich unter anderen der renommierte US-Ökonomieprofessor Paul Krugman. In der New York Times schreibt Krugman unter dem Titel «Cash for trash», frei übersetzt mit Bargeld für Mist, von Verantwortlichen, die mit immer neuen Massnahmen die Krise in den Griff zu kriegen versuchen, jedoch wie alle übrigen Marktteilnehmer keine Ahnung hätten, was sie tun.
Krugman fasst die Krise in vier Etappen zusammen. Als die US-Immobilienblase platzte, stiegen die Privatkonkurse und Hypothekenkündigungen, was die unterlegten Hypothekenpapiere belastete. Die hoch verschuldeten Banken mussten die Positionen abschreiben und brauchten neues Eigenkapital, um die Löcher zu füllen. Je weniger dies gelang, umso stärker traten sie auf die Kreditbremse, was das Wirtschaftswachstum abwürgte. Als die Banken die faulen Papiere auf den Markt warfen, sanken deren Preise noch stärker und die Bankbilanzen wurden noch maroder. Das Bonmot des «Paradox of deleveraging», Paradox der Entschuldung, machte die Runde.
Der US-Rettungsplan soll die Abwärtsspirale durchbrechen. Die Lasten aber trägt der US-Steuerzahler. Im Unterschied zur Finanzkrise in Schweden von Anfang der 90er Jahre will US-Finanzminister Henry Paulson den Banken die faulen Papiere gegen Bargeld abnehmen und nicht gegen Aktien. Der Gesellschaft bleibt der Schaden, den Aktionären und Bankmanagern der Gewinn.
Der US-Kongress, der noch diese Woche den Paulson-Plan verabschieden soll, müsse jetzt tief durchatmen, empfiehlt Paul Krugman. So, wie die Rettungsaktion heute aufgegleist sei, werde das Ziel einer nachhaltigen Sanierung der Branche mit den richtigen Konsequenzen für die Banken nicht erreicht. Dann würde Amerika «in nicht allzu ferner Zukunft sehr traurig sein».