Die grossen Gewinner der Finanzkrise

20minuten.ch (9. Oktober 2008) – Verstaatlichung in England, Island und Belgien, Anleger-Staatsgarantie in EU-Ländern, US-Mega-Rettungspaket: Der Staat rettet die Industrie, diktiert dafür die Bedingungen. Die Zukunft gehört den globalen Retailbanken, welche die Krise aus eigener Kraft meistern.Entweder geht die Finanzwelt unter. Oder sie überlebt. Der erste Fall ist unwahrscheinlich, für ihn gibts keine Szenarien. Also gehen wir vom zweiten aus. Er verspricht spannende Umwälzungen.

Wie immer, wenn die Welt Kopf steht, resultieren Gewinner und Verlierer. Das wird in der globalen Finanzindustrie nicht anders sein. Das Rennen werden jene Institute machen, die ohne Hilfe des Staats über die Runden kommen und trotz Krise die Kraft haben, Übernahmen zu tätigen.

Verlieren hingegen werden jene Konzerne, die unter den staatlichen Schutzschild kriechen müssen. Ihr Spielraum wird beschnitten, das Sagen haben in Zukunft die Regierungen.

Klassisches Banking mit globaler Ausrichtung im Aufwind

Eine Auflistung der nach wie vor starken Banken fördert ein Muster zutage, das sich in den kommenden Jahren als erfolgversprechendes Geschäftsmodell erweisen könnte. Jene Finanzkonzerne, die weltweit im klassischen Banking, mit Kleinkunden, Firmenkunden, Vermögensverwaltung und Kapitalmarktservices tätig sind, gewinnen derzeit Marktanteile und treiben die anstehende Umwälzung voran.

Dazu gehören die spanische Santander, die französische BNP Paribas, die englische HSBC, die amerikanische JP Morgan Chase, möglicherweise auch die italienische Unicredit, obwohl diese zuletzt ebenfalls unter die Räder gekommen ist und ihr Kapital verstärken muss. Sie alle sind starke Retailbanken, bieten in grossen Finanzmärkten eine umfassende Palette an Dienstleistungen an und sind dadurch viel breiter abgestützt als die Institute, die einseitig ausgerichtet waren und nun gerettet werden müssen.

Zu denen zählen vor allem Bankhäuser, die sich in einem Gebiet verspekuliert haben. Die englischen Hypothekarbanken wie Northern Rock und Bradford & Bingley, die deutschen Mittelstandsbanken mit riskanter Finanzierung wie IKB und neu Hypo Real Estate, die belgisch-niederländische Fortis mit einer überteuerten Akquisition, die isländischen Banken mit ihrem aggressivem Expansionskurs im Ausland und selbstverständlich die US-Investmentbanken, die mit zu viel Fremd- und zu wenig Eigenkapital den Boden unter den Füssen verloren haben.

Nummer eins Spaniens ist im Vormarsch

Das Beispiel der bisher erfolgreichen Santander zeigt, wie ein grosses Institut mehr oder weniger schadlos durch diese Krise navigieren kann. Vor einem Jahr kaufte Santander zusammen mit der Royal Bank of Scotland (RBS) und der belgisch-niederländischen Fortis die ABN Amro aus Holland. Während sowohl RBS als auch Fortis die zur Unzeit erfolgte Akquisition teuer bezahlen und Hilfe vom Staat benötigen, kauft Santander neue Banken und baut ihren Marktanteil aus.

In England haben die Spanier vor einiger Zeit Abbey National erworben. Mitten im grossen Sturm kauften sie nun Bradford & Bingley, nachdem sie zuvor bereits Alliance & Leicester erworben hatten. Inzwischen sind sie die drittgrösste Bankengruppe Englands. In Lateinamerika ist der Finanzkonzern längst eine Macht. Die Strategie von Santander, in grossen Märkten den vollen Service für alle Kunden anzubieten, scheint sich zu lohnen.

Unbemerkt mausert sich auch die BNP Paribas zur Gewinnerin. Die Franzosen sind eine Macht in Frankreich, konnten sich bisher aus dem US-Hypothekenstrudel halten und gehen mit voller Kasse auf Einkaufstour. Soeben haben sie den belgischen Teil der illiquiden Fortis erworben. BNP Paribas ist nicht nur in Europa eine grosse Geschäftsbank mit umfassenden Dienstleistungen, sondern besitzt mit BancWest auch in den USA eine grosse Retailbank. Zudem sind die Franzosen mit ihrem Investmentbanking nicht gross mit kollabierenden Spekulationspapieren abgestürzt.

CS vorne dabei, UBS-Zukunft ungewiss

Wo bleiben die Schweizer Grossbanken, wenn sich die Spreu vom Weizen trennt? Die CS dürfte mit ihrer Nischenstrategie als global tätige Vermögensverwalterin, Spitzen-Investmentbank in einigen ausgewählten Bereichen und Retailmacht im Heimmarkt Schweiz ebenfalls zu den Gewinnern der Krise zählen. Voraussetzung dafür ist, dass die CS nicht plötzlich viel mehr Abschreibungen im US-Kreditmarkt vornehmen muss.

Die Zukunft der UBS ist offen. Sie steht im jetzigen Sturm nicht im Zentrum, da sie ihr Eigenkapital frühzeitig stärkte. Doch die 45 Milliarden Verluste in US-Kreditmärkten haben die Bank geschwächt. Ihr Schicksal dürfte sich in den nächsten zwei bis drei Jahren entscheiden, wenn die Karten im globalen Banking neu verteilt werden.

Kriegt das Team um Präsident Peter Kurer die Kurve und bringt es die UBS wieder zu neuem Glanz, könnte auch sie dereinst als sichere und weltgrösste Vermögensverwalterin zu den Gewinnern der Krise zählen. Ansonsten wird die Bank zu einem Dinosaurier: gross, aber ohne Wachstumsphantasie. Dann würde sie wohl früher oder später einem ausländischen Konzern in die Hände fallen, der mehr aus der Position der UBS zu machen verspricht.


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