Das Ende der Investment-Banken

20minuten.ch (15. September 2008) – Die Grossbank Bank of America übernimmt die Investmentbank Merrill Lynch, während die kleinere Lehman Brothers bankrott geht und Nachlassstundung beantragt. Die Sieger der neuen Finanzerschütterung sind zunächst die grossen Banken mit solider Finanzierung.Das jüngste Erdbeben der seit Sommer 2007 dauernden Subprime-Krise war zu stark für die Investmentbank Lehman Brothers. Das Traditionshaus ist pleite und muss seine Geschäfte aufgeben. Eine Rettungsaktion wie bei Bear Stearns im März ist über das Wochenende missglückt.

Bear Stearns war der erste grosse Höhepunkt der Krise, vor zwei Wochen kam mit der Verstaatlichung der Hypothekeninstitutionen Freddie Mac und Fannie Mae ein neuer dazu. Starke Nachbeben dürften folgen.

Auch Merrill Lynch ging der Schnauf aus

Die bis vor kurzem zu den Aushängeschildern von Wallstreet zählende Merrill Lynch kann die Krise ebenfalls nicht selbstständig überleben. Für die Bank, die in den meisten Wertschriften-Geschäften und in der Beratung globaler Firmen zu den führenden Instituten zählte, kam im Unterschied zur kleineren Lehman Brothers eine Rettung zustande. Sie wird von der Universalbank Bank of America (BoA) übernommen.

BoA zahlt den Merrill-Lynch-Aktionären rund 50 Milliarden Dollar und wird mit der Übernahme ihre Position als eine der grössten Banken weltweit festigen. Allerdings übernimmt sie auch die unsicheren Subprime-Positionen sowie allfällige weitere faule Positionen von Merrill Lynch, die zusätzliche Milliardenabschreibungen zur Folge haben könnten.

Im Unterschied zu den geschwächten Investmentbanken zählt BoA zu den stark kapitalisierten Banken, die solche Wertberichtigungen besser aushalten können. So konnte die Universalbank das Wagnis einer Übernahme eingehen.

Karten im Banking werden neu gemischt

Die sich überstürzenden Ereignisse an Wallstreet und in der Finanzindustrie zeigen, dass die Krise nun zur Trennung von Spreu und Weizen führt. Die auf das Investmentbanking konzentrierten Institute, die grosse Teile ihres Eigenkapitals mit Spekulationen in den Kreditmärkten verspielt hatten, überleben nicht ohne Hilfe. Entweder finden sie einen Retter, oder sie gehen, wie jetzt Lehman, unter.

Die Gewinner der Krise sind die bilanzstarken Grossbanken wie BoA oder JP Morgan, welche im März die ebenfalls zahlungsunfähige Bear Stearns für ein Trinkgeld übernommen hatte. Bei beiden US-Banken handelt es sich um Institute, die im Geschäft mit Privat- und Geschäftskunden gross geworden waren, und die sich nun traditionsreiche Investmentbanken zu einem günstigen Preis angeln können. Sie haben die Kraft, mögliche zukünftige Abschreibungen vorzunehmen, ohne selbst einzubrechen. Ebenfalls können sie darauf zählen, neues Eigenkapital im Markt zu finden, sollten sie dieses benötigen.

UBS ist mit sich selbst beschäftigt

Die beiden Schweizer Grossbanken, die an Krisengesprächen in New York über das Wochenende ebenfalls beteiligt waren, sind in der laufenden Konsolidierungsrunde des weltweiten Bankings derzeit nur Zaungäste. Die CS hätte zwar möglicherweise die Kraft, einen geschwächten Konkurrenten zu übernehmen. Doch die Bankführung will sich nicht an unsicheren Krediten die Finger verbrennen, nachdem sie bisher einigermassen glimpflich durch die Krise gekommen ist. Die eigene Krise von 2002 und 2003 ist der CS noch zu frisch in Erinnerung, die CS-Aktionäre würde eine Übernahme einer US-Bank derzeit kaum goutieren.

Für die UBS steht eine Expansion im Investmentbanking sowieso nicht zur Diskussion. Die Grossbank zählt neben der amerikanischen Citigroup und der jetzt ihre Unabhängigkeit verlierenden Merrill Lynch zu den grössten Verlierern der Subprime-Krise. Die Schweizer brauchten fast 30 Milliarden neues Aktionärsgeld, um zu überleben. Die UBS ist daran, ihre Investmentbanking-Aktivitäten stark zu reduzieren. Ihre Zukunft liegt in der weltweiten Vermögensverwaltung, nicht im globalen Handelsgeschäft.

UBS könnte von Lehman-Untergang profitieren

Trotzdem könnte das aktuelle Erdbeben an Wallstreet der UBS helfen. Die Investoren, die letzte Woche den Glauben an Lehman Brothers verloren hatten und zwischendurch auch an der UBS stark gezweifelt hatten, kommen möglicherweise zum Schluss, dass vor allem die aufs Investmentbanking fokussierten Institute die grössten Risiken darstellen. Die UBS hingegen kann weitere Milliarden-Abschreiber dank ihren Erträgen in der Vermögensverwaltung und durch ihren gestärkten Kapitalpuffer vorerst auffangen.

Fraglich ist, was die Folgen für alle grossen Banken sind, wenn Lehman Brothers Pleite geht und ihre Schulden nicht mehr begleicht. Offenbar sind die US-Behörden zum Schluss gekommen, dass bei Lehman im Unterschied zu Bear Stearns kein Dominoeffekt droht, weil die Bank weniger stark mit dem Rest der Finanzwelt verknüpft sein könnte.

So mag es zwar paradox klingen, doch für die UBS könnte das grosse Erdbeben von Wallstreet von diesem Wochenende keine weitere Verschlimmerung der eigenen Lage bedeuten. Im Gegenteil, die Welt nimmt zur Kenntnis, dass selbst renommierte Banken offenbar untergehen können. Die UBS hingegen stand vor ein paar Monaten auf der Kippe und hat sich seither mit ihren zwei Milliarden-Kapitalerhöhungen auf weitere Krisen vorbereitet – so gut es ging. Sie steht derzeit nicht im Fokus der weltweiten Beobachtung.


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