Wie wahrscheinlich ist die Übernahme der UBS?

20minuten.ch (24. Juni 2008) – Die englische Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) prüfe eine Übernahme der UBS, hiess es heute an der Börse. Gut möglich.

HSBC wolle 80 Milliarden Dollar bezahlen, ging das Gerücht heute Morgen um. Das entspräche rund 84 Milliarden Franken oder rund 30 Franken pro UBS-Aktie. Bei einem Kurs von rund 22.50 Franken im frühen Nachmittagshandel bewertet die Börse die Schweizer Grossbank derzeit mit rund 63 Milliarden Franken.

HSBC, ein Finanzriese mit über 300 000 Mitarbeitern, 130 Millionen Kunden und 10 000 Filialen in 83 Ländern, wäre aus zwei Gründen eine der wenigen Kandidatinnen, die für eine Übernahmeofferte an die Adresse der UBS-Aktionäre in Frage käme. Erstens steht die Bank auf soliden Beinen und erzielte 2007 trotz hohen Verlusten im US-Hypothekenmarkt einen Gewinn von 19 Milliarden Dollar, rund 21 Prozent mehr als im Vorjahr.

Zweitens geniessen die Kunden der HSBC einen ähnlichen Schutz vor unliebsamen Zugriffen des Staates, wie ihn die Schweizer Banken offerieren. Zwar gilt das Schweizer Bankgeheimnis als Inbegriff für diskretes und geheimes Banking. Doch auch London hat dafür gesorgt, dass die eigene Finanzindustrie nicht völlig auf diesen Wettbewerbsvorteil verzichten muss.

Was Briten können, können Deutsche nicht unbedingt

HSBC, so lautet das Fazit, wäre somit in der finanziellen Verfassung für eine Offerte und müsste nach einem Kauf der Schweizer keinen Exodus von UBS-Kunden befürchten. Diese Gefahr dürfte deutsche und amerikanische Banken vor einem Übernahmeangebot abhalten. Beide Staaten kennen kein Bankgeheimnis, das diesen Namen verdient. Jene UBS-Kunden, die unversteuertes Geld bei den Schweizern angelegt haben, würden bei deutschen oder amerikanischen Avancen die Bank wohl fluchtartig verlassen. Die Käuferin, beispielsweise die Deutsche Bank, die auch schon als potenzielle Interessentin genannt wurde, würde für viel Geld einen unsicheren Wert erhalten.

Bereits im Winter wurde HSBC Interesse an der UBS nachgesagt. Damals schnellten die Verluste der Schweizer Bank auf gegen 20 Milliarden Dollar hoch. Grossinvestoren aus dem Nahen und Fernen Osten warfen der Bank einen ersten Rettungsring über 13 Milliarden Franken zu. Die Gerüchte über eine feindliche Übernahme verstummten, und der UBS-Aktienkurs erholte sich auf über 35 Franken.

Die UBS ist nach wie vor im Visier der US-Justiz

Der Kurs brach erneut ein, als die UBS nach weiteren Milliardenabschreibern in den USA eine zweite Kapitalerhöhung durchführen musste, diesmal mit Vorzeichnungsrecht für die Alt-Aktionäre und über 16 Milliarden Franken. Die Anleger zeigten anfänglich nur schwaches Interesse an einem Engagement, doch zuletzt wurden die neuen UBS-Aktien zu fast 100 Prozent vom Markt aufgenommen.

Die vermeintliche Beruhigung der Lage trat erneut nicht ein. Einerseits schwelt seit Wochen ein Konflikt mit US-Ermittlungsbehörden. Die Amerikaner versuchen, mit Hilfe eines geständigen Ex-UBS-Kundenberaters zu beweisen, dass die UBS in den USA systematisch Hilfe für Steuerbetrug und Steuerhinterziehung leistete. Es droht eine Busse und im schlimmsten Fall ein Rückzug aus dem amerikanischen Markt.

Für eine Übernahme spricht der tiefe Aktienkurs

Gleichzeitig schiessen seit kurzem neue Gerüchte über weitere Verluste der UBS im US-Hypothekenmarkt ins Kraut. Zu den inzwischen 40 Milliarden Dollar könnten nochmals 4 Milliarden bis 8 Milliarden Dollar hinzukommen, schätzen verschiedene Analysten.

Für eine Übernahmeofferte durch HSBS oder eine andere Grossbank mit den entsprechenden Voraussetzungen spricht der tiefe UBS-Kurs. Zum aktuellen Preis ist die Schweizer Grossbank möglicherweise günstig bewertet, vor allem wenn sich die Lage am US-Hypothekenmarkt beruhigen sollte. Von dort sind allerdings in letzter Zeit neue Hiobsbotschaften mit weit verbreiteten Privatkonkursen gekommen. Noch immer ist die UBS mit Dutzenden von Milliarden Dollar in US-Hypothekenpapieren investiert.


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