Warum die UBS-Aktie auf Tauchfahrt ist

20minuten.ch (28. Mai 2008) – Der Titel der Grossbank gehört seit Tagen zu den Verlierern an der Börse. Belastend wirkt die Kapitalerhöhung, aber noch stärker die Ermittlungen in den USA wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung.

Als Marcel Ospel am 1. April seinen Rücktritt als Präsident bekannt gab, schoss die UBS-Aktie in die Höhe. In den Folgetagen verstärkte sich die Zuversicht, dass die gebeutelte Grossbank bald wieder bessere Zeiten erleben wird, und der Kurs kletterte bis auf 37 Franken. Die Anleger atmeten auf. Leider zu früh.

Seit Anfang Mai herrscht nämlich wieder Trübsal an der Kursfront. Mal bröckelt der Titel um wenige Zehntelsprozentpunkte, mal taucht er zünftig um fünf und mehr Prozent. Was ist los mit der UBS-Aktie? fragen sich die Investoren.

Zwei Gründe stechen für den Absturz ins Auge. Der erste ist ein technischer rund um die laufende Kapitalerhöhung. Die Grossbank gibt 35 Prozent neue Aktien aus. Statt wie bisher knapp 2,2 Milliarden Stück zu einem Nennwert von 10 Rappen sind es nach Abschluss der Transaktion Mitte Juni gut 2,9 Milliarden Aktien, die im Markt sind. Damit verringert sich der Gewinn pro Aktie – sobald es wieder einen gibt. Man nennt diesen Vorgang Gewinn-Verwässerung. Im Fall der UBS «verwässert» sich der Gewinn parallel zur Erhöhung der ausgegebenen Anzahl Aktien um 35 Prozent.

Das Kerngeschäft im Visier der US-Justiz

Das allein kann den Kurszerfall nicht erklären. Ein bisheriger UBS-Aktionär hat nämlich das Recht, seinen Anteil an der Firma gleich gross zu behalten, indem er sein Vorzeichnungsrecht ausübt. Für 20 alte Aktien kann er 7 neue zum Aktionspreis von 21 Franken zeichnen. Dann bleibt sein Anteil am Unternehmen bestehen, und er wird nicht verwässert. Verzichtet er hingegen auf die Kapitalerhöhung, kann er seine «Bezugsrechte» in diesen Tagen verkaufen. Deren Wert ergibt sich aus der Differenz des aktuellen Börsenkurses und dem Bezugspreis für Neuaktien von 21 Franken.

Nein, der wahre Grund für die Krise der UBS-Aktie könnten die Ermittlungen der US-Behörden wegen vermuteter Beihilfe zu Steuerhinterziehung sein. Ende April verhaftete die amerikanische Polizei mit Martin Liechti einen der höchsten UBS-Manager des Bereichs Vermögensverwaltung. Das ist jener Teil des Geschäfts, der bisher die stabilsten Erträge für die UBS lieferte und welcher den Kern für den Neuaufbau der Firma nach den fast 40 Milliarden Franken Handelsverlusten bildet.

Liechtis kurzzeitige Inhaftierung und sein Ausreiseverbot sorgen für Aufregung bis in die hohe Politik. Der Bundesrat liess sich informieren, und die Schweizer Botschaft in Washington wurde bei den zuständigen US-Behörden vorstellig. Dass der Fall zu einer nationalen Affäre wird, hängt mit seiner Bedeutung für den wichtigsten Wirtschaftszweig unseres Landes zusammen. Die Zukunft von Swiss Banking könnte auf dem Spiel stehen.

Denn die Aktion gegen Liechti hängt zusammen mit einem Strafprozess, der in diesen Wochen in Florida durchgeführt wird. Angeklagt ist Bradley Birkenfeld, ein 43jähriger Amerikaner, der von 2001 bis 2006 für die UBS aus Genf heraus vermögende Amerikaner in Vermögensfragen beraten hatte. Als ein Kunde von Birkenfeld, ein reicher russischer Immobilienmagnat mit Wohnsitz in den USA, wegen Steuerhinterziehung aufflog, geriet Birkenfeld ins Visier der Ermittler. Offenbar nutzt der angeklagte ehemalige UBS-Mitarbeiter die Chancen des amerikanischen «Plea bargaining», der Selbstbeschuldigung mit allfälliger Aussage gegen Dritte, hier gegen Ex-Chef Martin Liechti. Als «Whistleblower» könnte sich Birkenfeld eine reduzierte Strafe erhoffen.

Auf dem Spiel steht das Bankgeheimnis

Für den festgehaltenen Liechti gibt es keinen derart einfachen Ausweg. Falls die US-Ermittler harte Beweise in den Händen halten, die eine systematische Hilfe der UBS bei Steuerhinterziehungen aufzeigen, erwarten sie von Liechti ein Geständnis, und der UBS-Topshot müsste die Namen von Kunden offenlegen. Tut er dies nicht, könnte ihn dies eine Zeitlang hinter Gitter bringen. Packt er hingegen aus, gefährdet er das Geschäftsmodell seiner Bank – und seines ganzen Industriezweigs.

Reiche Anleger in Wachstumsregionen wie Russland, Indien oder China würden aus einem Geständnis Liechtis vermutlich folgen, dass die UBS und damit möglicherweise alle Schweizer Banken nicht mehr vollständige Diskretion garantieren würden. Möglicherweise würde für sie das viel gerühmte Schweizer Bankgeheimnis auf einen Schlag inexistent, und sie würden ihre Vermögen eventuell abziehen, um es an einem vermeintlich sichereren Ort aufzubewahren oder um sich die hohen Kosten für die bisher diskrete Schweizer Vermögensverwaltung zu sparen. Es ist wohl diese Befürchtung, nämlich dass das Bankgeheimnis auf dem Spiel steht, welches die UBS-Chefs neben den Verlusten im Handelsgeschäft am stärksten umtreibt und welches die Investoren derzeit einen weiten Bogen um die UBS-Aktie machen lässt.


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