Oswald Grübels neue Bescheidenheit

Der selbstbewusste Preusse, der diktatorisch entscheidet und seine Mitstreiter zu reinen Befehlsausführern degradiert, spricht mit ungewohnt sanfter Zunge. Die Rede ist von Oswald Grübel, CEO der Schweizer Grossbank Credit Suisse. In einer Email an die 63’000 CS-Mitarbeiter erläutert Grübel das Jahresergebnis 2005, das im Vergleich zu jenem der Nummer eins auf dem Platz, der UBS, durchzogen ausgefallen ist. Zuerst verteilt Grübel den seit Jahren mit Umorganisationen auf Trab gehaltenen Angestellten Streicheleinheiten. „Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Jahr 2005 war für die Credit Suisse ein Jahr wichtiger Veränderungen. Wir haben zusammen viel erreicht.“ Noch mehrmals stimmt Grübel das Wir-Leitmotiv in seiner „Mitteilung des CEO“ an. So heisst es weiter unten: „Wir haben gezeigt, dass wir gute Ergebnisse erzielen können…“ oder „…haben wir ein solides Fundament für das künftige Wachstum der CS gelegt“.

Wie sehr der 62-jährige, als Haudegen verschrieene CS-Chef neue Töne pflegt, kommt am Ende seines dreiseitigen Briefs vollends zum Ausdruck. Drei Grundsätze des Geschäftens bei der CS zählt er da auf: Die Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse und ein Plädoyer für das Arbeiten im Team durften erwartet werden. Hingegen dürfte der Verweis auf die Reputation einige überraschen. „Unser Erfolg beruht auf unserer Integrität, unserer Offenheit und unserem gegenseitigen Respekt“, schreibt Grübel. Keine Selbstverständlichkeit für einen, der einst als Handelschef an hektischen Börsentagen einen preussischen Helm aufsetzte und „Mir nach, marsch“ rief. Nach all den Reorganisationen und Personalwechseln scheint selbst Grübel nicht mehr daran zu glauben, dass die Mitarbeiter mit martialischer Sprache zu gewinnen sind.


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