Grübel saniert, Villiger beruhigt
20minuten.ch (4. März 2009) – Der designierte Präsident der UBS, Alt-Bundesrat Kaspar Villiger, hat mit seinem ersten Auftritt in der neuen Rolle mit aufrichtigen und «menschlichen» Antworten überzeugt. Sein Entscheid, für 850 000 Franken im Jahr die Aufgabe zu übernehmen, zeugt von politischem Fingerspitzengefühl.
Die Frage aus dem Journalistenpulk im Zürcher Kaufleutensaal nach Villigers Jahreslohn ging fast vergessen. Kaspar Villiger, 68, der Mitte April das Präsidium der UBS übernehmen soll, schmunzelte. «Oh, das haben wir noch vergessen zu besprechen», witzelte er. «Im Ernst, ich bin überrascht, dass die Frage erst jetzt kommt.»
Verantwortung mit SNB-Präsidenten vergleichbar
Er habe sich das Angebot, einen Lohn nach heutigen Standards zu beziehen, «reiflich überlegt». Um sich dann dagegen zu entscheiden. «Viel Geld brauche ich nicht, wenn nötig, könnte ich die mir zustehende Bundesratsrente aktivieren.» Die UBS sei auf staatliche Hilfe angewiesen und befinde sich in einer Krisenlage. «Wo übernimmt man eine ähnliche Verantwortung?», fragte Villiger laut.
Dann gab er eine überraschende Antwort: «Eigentlich trifft die Ausgangslage auf die Mitglieder des Nationalbank-Direktoriums zu.» Deshalb habe er dem Verwaltungsrat der UBS den Vorschlag unterbereitet, den SNB-Direktoriumslohn zum Massstab zu nehmen. „Ich werde 850 000 Franken im Jahr verdienen, keinen Bonus erhalten, keine Gratisaktien beziehen, sondern mir auf eigene Rechnung Anteile der Bank beschaffen», sagte Villiger. «Damit ich auch etwas verlieren würde, wenn ich etwas falsch entscheide.»
Lohnverzicht ist erster Tatbeweis
Villigers Lohnentscheid mag ein Detail sein – doch eines mit grosser symbolischer Sprengkraft. Der zukünftige Präsident der schlingernden Grossbank erbringt bei seinem ersten Auftritt den Tatbeweis, dass sich die Bankbranche generell und die UBS im Speziellen mässigen muss. Das eigene finanzielle Wohl statt jenes der Aktionäre und Kunden stand bei der Grossbank in den letzten Jahren im Vordergrund. Das gilt sicher nicht für sämtliche Abteilungen und für alle Angestellten, aber die generelle Kultur war eine, die auf «immer mehr, und zuerst für mich» ausgerichtet war.
Insofern verkörpert Villiger den dringlichen Neuanfang. Mit seiner Wahl wurde jener Schritt vollzogen, der bereits vor einem Jahr nötig gewesen wäre. Zwei von der Vergangenheit unbelastete Persönlichkeiten übernehmen das Steuer, beide von unterschiedlichem Kaliber und Charakter, beide aber insofern mit intakten Erfolgsaussichten, als sie sich ergänzen und nicht gegenseitig bekämpfen.
Grübel saniert, Villiger beruhigt
Der neue CEO Oswald Grübel ist der erprobte Bankensanierer, der einen Mir-nach-Marsch-Stil verkörpert, während der neue Präsident Kaspar Villiger für schweizerische Bescheidenheit steht und die nötige politische Sensibilität mitbringt, um der UBS mehr Ruhe in der politischen und öffentlichen Arena zu verschaffen.
Bei allen Vorschusslorbeeren gilt es eines nicht zu vergessen: Die Lage an den Finanzmärkten und insbesondere bei der UBS hat sich in den letzten Monaten in der Zeit der alten Garde Kurer/Rohner dramatisch verschärft. Der jetzt beschlossene personelle Neuanfang hätte vor einem Jahr erfolgen sollen. Dann wäre wohl kaum der jetzt berufene Kaspar Villiger zum Handkuss gekommen, sondern ein gestandener Banker von internationalem Zuschnitt, etwa ein Josef Ackermann von der Deutschen Bank oder ein Bob Diamond von der englischen Barclays Bank.
Ospel-Machtbasis verhinderte einen Neuanfang
Doch damals war das Machtsystem der alten UBS, über Jahrzehnte fein geknüpft vom früheren Aushängeschild Marcel Ospel, noch zu intakt, als dass die verantwortlichen Verwaltungsräte und die grossen Aktionäre sich getraut hätten, dieses zu zerschlagen. Ein wertvolles Jahr ging verloren. Nun ist der Weg frei für einen echten Neuanfang unter Grübel und Villiger. Höchste Zeit.