Arrogant selbst in der Niederlage. Am Tag, als Nationalbank und Bundesrat die UBS retteten, verschickte die Grossbank ihren Kunden und Partnern ein Schreiben, das das genaue Gegenteil vermuten liess.Am 16. Oktober 2008, kurz vor sieben Uhr in der Früh, wurde das 68-Milliarden-Franken-Paket vorgestellt. «UBS entfernt Risikopositionen aus ihrer Bilanz durch Transaktion mit der Schweizerischen Nationalbank» (SNB) überschrieb das Institut sein Communiqué, und Präsident Kurer versicherte, aus freien Stücken «konkrete Schritte zur Eliminierung von Altlastrisiken» unternommen zu haben.
UBS: Noch in der Niederlage selbstbewusst
Auch in einem Schreiben, das die UBS gleichentags an ihre Kunden und Partner verschickte, fand sich keine Spur von der dringenden Notlage, in der die Bank steckte. Mit den Worten «Sehr geehrter Partner, heute sind wir in der Lage, die brennendsten Fragen der Zukunft von UBS zu beantworten», wurde vielmehr der Eindruck proaktiven Handelns erweckt.
«Mit der SNB und der Schweizer Regierung haben wir ein umfassendes Massnahmenpaket vereinbart, um Risikopositionen mit einem entscheidenden Schritt aus unserer Bilanz zu entfernen, die Unsicherheit über eventuell weitere Verluste auf notleidende Positionen zu beseitigen und einen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems zu leisten», stand in dem Brief, den die UBS am 16. Oktober 2008 per Mail verschickte.
Jene Bank, welche das Schweizer Finanzsystem an den Abgrund geführt hatte und vielleicht in letzter Minute vom Staat gestützt werden musste, warf sich den Mantel des Retters um.
Stand heute: Jeder Bürger risikiert 10’000 Franken für die UBS
Die kommunikative Schönfärberei konnte nicht von der Dimension des Rettungspakets ablenken. Diese war gigantisch. Umgerechnet auf jeden der sieben Millionen Schweizer Einwohner belief sich das eingegangene Risiko auf beinahe 10’000 Franken. Sollte das Kalkül nicht aufgehen, und sollten sich die Preise der vom Staat übernommenen illiquiden US-Kreditpapiere nie mehr erholen, stünde dem Steuerzahler eine saftige Rechnung ins Haus.
Peter Siegenthaler, einer der Architekten des UBS-Rettungsplans auf Bundesseite, beschwichtigte mir gegenüber in einem Gespräch im November 2008: «Die Chancen stehen gut, dass die Unterstützung der UBS die Bürger nichts kosten wird.»
Selbst ein Mitarchitekt des Deals äussert leise Zweifel
Erstens erhalte die Eidgenossenschaft einen hohen Zins, zweitens blieben dem Staat 30 Monate, bis er den Kredit in Aktien der Bank wandeln müsste. Aber auch Siegenthaler konnte einen Schaden für die Öffentlichkeit nicht ausschliessen. «Das Investment ist an den UBS-Aktienkurs gekoppelt, und der geht rauf und runter. Dieses Risiko liegt nun auch beim Schweizer Steuerzahler.»
Skeptisch äusserte sich der frühere Notenbank-Vizepräsident Niklaus Blattner. «Die SNB-Transaktion stellt ein grosses Risiko für die Schweiz dar, bietet ihr aber wenig Potenzial nach oben. Klar, die Nationalbank kann solche Investitionen notfalls ‚ewig‘ halten. Doch das gilt auch für reiche Privatinvestoren wie Warren Buffett. Die Frage ist: Würden sie es auch tun?» Wohl kaum, antwortete der 65-jährige Finanzexperte und emeritierte Wirtschaftsprofessor gleich selbst. «Die SNB übernahm das Risiko, um einen Systemkollaps zu verhindern.»
Peter Kurer ging nach Bern, obwohl die Lage für ihn noch nicht dramatisch war
Von unmittelbarem Untergang wollte Peter Kurer nichts wissen. Zwei Tage nach dem 68-Milliarden-Paukenschlag sagte UBS-Präsident Kurer in einem Radiointerview auf die Frage, was den Gang nach Bern nötig gemacht habe: «Wir waren weg vom roten Bereich. Aber Sie müssen eben die Emotionslosigkeit haben, dass Sie sagen: Wenn das unter einen bestimmten Wert fällt, müssen Sie einfach auslösen. Sie müssen eine Ablauflinie haben, und dann dürfen Sie nicht mehr sagen: Das schadet dann nachher mir, und wie blöd stehe ich da, sondern Sie müssen das Köfferchen nehmen und den Canossagang machen.»