Buch Einband

«Kloten-Clan»
232 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen
16 x 22.8 cm, gebunden
[ISBN 3-85932-450-0]
€ 28.00
sFr 39.90

» Kaufen


Der «Kloten-Clan»

Darf ein ehemaliges Konzernleitungsmitglied ein kritisches Buch über seinen früheren Arbeitgeber schreiben? Sofern der Arbeitsvertrag das nicht mit einer Klausel verbietet, steht rechtlich nichts entgegen. Ungewöhnlich bleibt es gleichwohl. Lukas Hässig, früher Wirtschaftsredaktor bei der «Sonntags-Zeitung», heute Ressortchef bei «Facts», beide aus dem Haus Tamedia, arbeitete dazwischen, von 1999 bis August 2001, als Kommunikationschef bei der neu gegründeten Zürcher Flughafengesellschaft Unique. Nun hat er im Werd-Verlag, ebenso Tamedia, ein Buch mit dem Titel «Kloten-Clan» veröffentlicht.

Zu viel Schuld angehäuft

Er kenne beide Seiten und da habe es ihn gereizt, eine sachliche Auseinandersetzung zum Thema Flughafen zu schreiben, sagte Hässig bei der Präsentation. Das Buch erscheint wenige Tage vor Eröffnung des neuen Dock E – goldrichtig also. Die gesamte Führung von Unique hat dem Autor allerdings, weil er ethische Grundsätze verletze, das Gespräch verweigert, was nach journalistischen Kriterien der Sachlichkeit abträglich ist. Immerhin schrieb Hässig, auch wenn seine früheren Vorgesetzten nicht gut wegkommen, keine Abrechnung, sondern eine gerade durch seine Insiderkenntnisse informative, manchmal spannende Darstellung.

Im ökonomischen Teil zeichnet er das Bild von Flughafenverantwortlichen am Gängelband der mächtigen Swissair. Die Direktion habe bis zuletzt an Philippe Bruggissers Hunter-Strategie und die Airline geglaubt. Die Folge: «Zürich hat den falschen Flughafen gebaut.» Der Verfasser sieht dessen wirtschaftliches Überleben in Gefahr. Durch den Einbruch des Verkehrs werde Unique nach dem milliardenteuren Ausbau die Schulden nicht zurückzahlen. Laut Hässig würden früher oder später der Kanton Zürich als Hauptaktionär und die kreditgebenden Banken zur Kasse gebeten.

Jeker als tragische Figur

Im politischen Teil zeichnet Lukas Hässig den verheerenden Umgang mit den deutschen Nachbarn und die Fronten im Lärmstreit nach. Erhellend sind die Hintergründe der Kehrtwendungen der Zürcher Regierung; zuerst Ja, dann Nein zum Staatsvertrag, zuerst für, dann gegen Lärmverteilung. Volkswirtschaftsdirektor Ruedi Jeker erscheint weniger als überforderter Politiker denn als tragische Figur. Er wollte eine Verteilung des Lärms, scheiterte in der Regierung, er suchte die breite Diskussion und vereitelte vielleicht eine einmalige Chance. Bisher unbekannt war, dass 1999 zwei Hauptkontrahenten, Bruggisser und Peter Staub, der Präsident des Schutzverbandes, im kleinen Kreis eine Lösung suchten. Jeker wollte das nicht, Staub ist noch heute überzeugt: «Damals hätten wir das hingekriegt.»

Bericht mit Lücken

Trotz vieler Fakten entdeckt man Lücken. Hässig stellt die These auf, der Flughafen hätte Anfang 2001, als die Krise der Swissair offensichtlich war, die ein Jahr zuvor begonnenen Arbeiten an der 5. Bauetappe abbrechen sollen: Besser die geschätzten 600 Millionen Franken Totalverlust ans Bein streichen, als für 2,2 Milliarden Überkapazitäten zu bauen. Doch diesen Entscheid hätte Unique nicht allein fällen können, denn sie war vertraglich verpflichtet, den Volksentscheid vom Juni 1995 auszuführen, also den Ausbau zu vollenden.

Der in der Tat weit reichende Beschluss vor acht Jahren war nicht nur, wie Hässig darlegt, das Werk von Seilschaften zwischen Swissair und Flughafen. Politisch lag die Federführung bei SP-Regierungsrätin Hedi Lang, ein Name, der im Buch nicht vorkommt. Die wichtigste Kontrollinstanz, der Kantonsrat, versagte. Niemand stellte 1995 laut die Frage, der Flughafen werde doch nicht 2,2 Milliarden investieren, um das Verkehrsaufkommen um zehn Prozent zu erhöhen. Heute, nach der Krise der Schweizer Luftfahrt, entspricht das Verkehrsaufkommen wieder ziemlich genau den Prognosen vor der Abstimmung. Doch der Flughafen ist derart überdimensioniert, dass ein Dock eingemottet wird.

Ein Konkordanz-Debakel

Das Debakel lässt sich politisch auch als Ergebnis gut schweizerischer Konkordanz darstellen. Die SP, eingebunden durch ihre Volkswirtschaftsdirektorin, sagte zwar damals Nein zur 5. Bauetappe, ohne wirklich zu opponieren. Die SVP entdeckte ja erst zu Beginn dieses Wahljahres, dass der Flughafen zu gross ist. 1995 stellte sie noch jene Anwohner und Grünen in den Senkel, die es wagten, gegen den geplanten Ausbau zu protestierten. Die Probleme in Zürich-Kloten, Lärmstreit und Überkapazität, begannen zu einer Zeit, als man noch mit Stolz vom «Volksflughafen» sprach. Stefan Hotz