Ex-UBS-Chef fordert Zerlegung der Grossbank

20minuten.ch (16. November 2011) – Ex-UBS-Präsident Peter Kurer klinkt sich kurz vor dem mit Hochspannung erwarteten Investorentag in die Debatte ein. Die Strategie der UBS sei «veraltet».

Was die UBS für eine mediale Wucht ist, zeigt sich in einer Episode vom Tag des Londoner Derivate-Verlusts. Die Nachrichtenagentur Bloomberg reagierte am 15. September kurz vor 9 Uhr am schnellsten und verbreitete die Meldung vom 2-Milliarden-Crash vor allen anderen Medien. Die Nachricht gilt inzwischen als die meistgelesene Newsstory von Bloomberg der letzten Jahre.

Diese Woche schreibt die UBS erneut weltweit Schlagzeilen: gestern mit der definitiven Ernennung von Sergio Ermotti zum CEO, morgen mit dem mit Hochspannung erwarteten Investorentag in New York. Dabei werden Ermotti und seine Kollegen von der UBS-Konzernleitung ihren Plan vorstellen, wie sie die Investmentbank massiv verkleinern und in den Dienst der Vermögensverwaltung stellen.

UBS ist Fressen für Hinz und Kunz

Läuft bei der UBS etwas, melden sich inzwischen Hinz und Kunz zu Wort. Politiker in Bern wollen sich ebenso am Objekt des schlagzeilenträchtigen Finanzmultis reiben wie die Occupy-Revoluzzer in Zürich. Unter den vielen, die ihre eigene Agenda mit Hilfe der Grossbank pflegen, sticht einer besonders heraus. Es ist Peter Kurer, Ex-Präsident der Grossbank.

Kurer kennt die alte UBS wie nur wenige Insider. Er war Anfang 2001 von UBS-Übervater Marcel Ospel als Konzernanwalt an Bord geholt worden und sass ab 2002 in der Konzernleitung. Nicht immer erfolgreich: Unter dem Anwalt entwickelte sich die US-Steuergeschichte zum Gau. Und als Ospel im Frühling 2008 das Handtuch warf, übernahm Kurer das oberste Steuer, um ein halbes Jahr später seine Bank mit Steuer-Milliarden retten zu lassen. Im Frühling 2009 räumte Kurerseinen Präsidenten-Platz bereits nach einem Jahr.

Unter Kurer war Zerlegung kein Thema

Kurer gebärdet sich heute in einem Beitrag für Bloomberg als früher Warner einer integrierten UBSund plädiert stattdessen für deren Zerlegung in ihre wichtigsten Einzelteile. Die Investmentbank gehöre von der Vermögensverwaltung separiert, lautet Kurers Mantra. Das heutige Modell mit den beiden Bereichen unter einem Dach als One Bank sei «veraltet». Und dann fährt er schweres Geschütz auf: «Es gibt wenige, die an eine gute Zukunft für das Investmentbanking glauben; kaum jemand glaubt, dass die Schweizer Universalbanken gute integrierte Investmentbanken betreiben.»

Zwei Fragen wirft Kurers Ceterum censeo auf. Erstens: Hat er recht? Zweitens: Warum hat er seine Fundamentalkritik nicht schon zur Zeit vorgebracht, als er an der Spitze der Bank war?

In der Sache hat Kurer Recht

Beim ersten Punkt lautet die Antwort: Vermutlich hat er Recht. Eine in Vermögensverwaltung und Investmentbank aufgeteilte UBS hätte mehr Vor- als Nachteile. Die Risiken für das Land würden kleiner, die Interessenkonflikte zwischen Kunden- und Boni-Eigennutz reduziert, und die Aktionäre dürften auf einen spürbaren Kursanstieg hoffen.

Es gibt auch Negativpunkte. So war die Investmentbank der UBS die interne Innovationsmaschine, während in der Vermögensverwaltung eher die «weisssockigen» Beamten-Banker sassen, die Privat-Escort für ihre Kunden spielten. Einige Teile der UBS-Investmentbank sind auch wenig gefährlich für Aktionäre, Kunden und Gesellschaft, so das Weltklasse-Aktien- und Devisengeschäft, solange dieses allein für die Kunden betrieben wird. Es wirft zwar pro Transaktion nur wenig Rendite ab, hat sich aber dank Masse zu einem berechenbaren und gewinnträchtigen Geschäft gemausert.

Kurer blieb auf halber Strecke stehen

Nun zum zweiten Punkt. Kurer hat in seiner kurzen Präsidialzeit als Neuerung gegenüber der Ära von UBS-Übervater Ospel eine stärkere Divisionalisierung der UBS angestrebt. Das scheint ihn prima vista zu seiner heutigen Kritik an der One Bank zu legitimieren. Schliesslich kann man eine Divisionalisierung als Vorstufe einer Aufteilung betrachten.

Doch so einfach ist die Geschichte um Kurers vermeintlich blütenweisse Strategie-Weste nicht. Zum einen war Kurer im Sommer 2008, als er seine Divisionalisierungs-Strategie offenlegte, noch nicht restlos überzeugt vom Erfolg des Ansatzes. Seine Zweifel begründete er damit, dass die Investmentbank und die Vermögensverwaltung innerhalb eines Zyklus von Börsen-Auf- und Abschwung zu unterschiedlichen Zeitpunkten den Zenit erreichen würden. Beide Geschäfte unter einem Dach würden somit einen gewünschten Diversifikationseffekt darstellen.

UBS war gar nie richtig integriert

Zum anderen war Kurers Rede von der angestrebten stärkeren Unabhängigkeit der verschiedenenUBS-Bereiche ein Stück weit Rhetorik. Die UBS war nämlich zu jenem Zeitpunkt nur dem Schein nach integriert. In Tat und Wahrheit handelte es sich um ein höchst heterogenes Gebilde, bei der die einzelnen Bereiche ein grosses Eigenleben führten und die Zentrale wenige Systeme in Betrieb hatte, um überall richtig zu kontrollieren und zu steuern.

Dass dies so war, kam zum Vorschein, als Oswald Grübel und Kaspar Villiger das Kommando von Peter Kurer und dem damaligen CEO Marcel Rohner übernahmen. Grübel betonte rasch, dass die Bank viel stärker integriert werden müsste. Insbesondere müsste der «Backbone», das Rückgrat mit allen Operationen und der ganzen Informatik, massiv verstärkt werden.

Ermotti geht den Weg der «massiven» graduellen Anpassungen

Damit kehren wir zurück zur Aktualität und dem anstehenden Investorentag. Dort wird der neueUBS-CEO Sergio Ermotti morgen im Nobelhotel Waldorf Astoria in New York eine spürbare Verkleinerung der Investmentbank verkünden. Vor allem wird Ermotti aufzeigen, wie die UBS innert nützlicher Frist – die Rede ist von den nächsten fünf Jahren – die Risiken im Handelsteil der Bank reduzieren will. Ob Ermottis Plan überzeugt, wird man am Freitag am UBS-Aktienkurs ablesen können.

Somit ist auch gesagt, dass die UBS unter Ermotti am Konzept der One Bank festhalten will und die Idee von Ex-Präsident Peter Kurer in den Wind schlägt. Die Bank tut das, weil sie sonst sehr viele Leute entlassen müsste, möglicherweise viele Kunden verlieren würde und weil sie last but not least weiterhin hohe Boni für Manager ohne Investmentbank nicht mehr gut rechtfertigen könnte.

Fazit: Ermotti pfeift auf Kurer und seine Forderung nach einer grossen UBS-Zerlegung. Ob es dem neuen starken UBS-Mann gelingen wird, mit einer nur graduell angepassten Investmentbank auf einen grünen Zweig zu kommen, muss die Zukunft zeigen. Wenn in – sagen wir – drei Jahren die Frage einer Aufteilung noch im Raum steht, kann sich Kritiker Kurer rühmen, früh gewarnt zu haben.


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