Julius-Bär-Chef Collardi gibt sich naiv
20minuten.ch (6. Februar 2012) – Ab 2008 übernahm die Bank Julius Bär viele US-Kunden der UBS. Doch damit war bald Schluss, behauptet Bär-Chef Boris Collardi jetzt. Möglicherweise ist dies eine Schutzbehauptung, um Schlimmeres zu verhindern.
Shootingstar Boris Collardi lernt die harte Seite seines Traumjobs kennen. Fürs zurückgelegte Jahr musste der 37-jährige Bankchef für seine Bank Julius Bär durchs Band negative Zahlen zeigen, die Anleger reagierten entsprechend unwirsch. Und als ob das nicht schon genug wäre, schwebt über Collardis Kopf auch noch das Damoklesschwert im Steuerkrieg mit den USA.
Julius Bär ist eine von elf Banken im Visier der USA. Bär & Co. sollen ab 2008 Hunderte von US-Kunden mit Hunderten von Millionen Schwarzgeld von der Grossbank UBS übernommen haben.
Big in the U.S.
Julius Bär und ihr junger, eloquenter Chef sind ein grosser Fisch. Laut einem Insider macht die Privatbank der übermächtigen CS den zweiten Platz im US-Offshore-Geschäft hinter der UBS streitig. Die Rede ist von 5 bis 7 Milliarden Dollar verwalteten US-Vermögen.
Die genaue Summe dieser Gelder wollte Collardi an der Bilanzpressekonferenz vom Montag nicht verraten. Er sprach lediglich von einer «einstelligen» Milliardenzahl. Wie die übrigen bedrohten Banken, die im Unterschied zur angeklagten Wegelin immer noch auf einen «Friedensdeal» hoffen können, betonte auch Collardi die uneingeschränkte Kooperation mit den US-Strafbehörden.
Hosen runter und Schwamm drüber, scheint somit Collardis Strategie zu lauten, um das gefährliche US-Problem endlich vom Tisch zu haben. Damit setzt er auf das gleiche Vorgehen wie die Kollegen der ebenfalls bedrängten Basler und der Zürcher Kantonalbank.
Hummler-Falle umgehen
Nur ja nicht in die Hummler-Falle treten, lautet deren Credo. Konrad Hummler, Chef der Wegelin-Bank, hatte den USA mit markigen Worten die Stirn geboten. Dass er hintenherum ebenso kooperierte wie seine Leidgenossen, hilft ihm nach der US-Anklage weiter.
Warum die USA seine Bär-Bank doch bitte verschonen sollten, begründet Collardi mit temporärer Wahrnehmensstörung: Er habe nichts von den Machenschaften seiner Mitarbeiter gewusst. «2008 wurden wir von neuen Kunden aus vielen verschiedenen Ländern überschwemmt», sagte er. «Als wir schliesslich erkannten, dass sich darunter auch viele US-Kunden der UBS befanden, traten wir sofort auf die Bremse.»
Ab Herbst 2008 habe Julius Bär keine solchen Klienten mehr akzeptiert, im Folgejahr habe man sich von allen, die zuvor bereits bei Bär gelandet waren, wieder getrennt.
Mit anderen Dingen beschäftigt
Man sei damals mit anderem beschäftigt gewesen, führte Collardi als Entschuldigung ins Feld. So sei die Bank immer noch absorbiert gewesen mit der Integration von erworbenen Privatinstituten der UBS aus dem Jahr 2005.
Ob Collardi die USA damit besänftigen kann, muss sich weisen. Möglicherweise handelt es sich um eine Schutzbehauptung, mit der Schlimmeres verhindert werden soll. Denn laut Involvierten lösten die US-Kunden der UBS mit ihren unversteuerten Milliarden damals eine regelrechte Goldgräberstimmung am Paradeplatz aus. Die Berater der betroffenen Kunden konnten auswählen zwischen Bär, ZKB, Basler KB, Wegelin, HSBC und weiteren Banken. Besonders aggressive Kickbacks für die Vermittler bezahlten die ZKB und später auch Julius Bär.
Auch ein naiver Collardi hat einen Nutzen
Innert weniger Wochen schossen die US-Vermögen in den internen Reportings in die Höhe. Normalerweise hätte das an der Spitze der jeweiligen Bank auffallen müssen. «Entweder die Verantwortlichen sahen die Zuflüsse, oder aber sie haben die Prozesse ihrer Bank nicht im Griff», sagt ein Zürcher Banker, der mit den internen Kontrollsystemen in der Finanzindustrie vertraut ist.
Den USA kann die Antwort egal sein. Sie haben es auf Bussgelder der bedrängten Banken sowie auf die Offenlegung von US-Kundendaten durch Bern abgesehen. Ein naiver Collardi hat ebenso seinen Nutzen wie ein dreister. Vielleicht sogar einen grösseren.