Ärger bei der Swiss: Warum sich keiner über das «Brettli» freut
20minuten.ch (20. Dezember 2011) – Die Swiss streicht den Weihnachtsbonus, stattdessen gibt es Käse-Brettli. Ein Flugbegleiter erklärt, weshalb ihn das so sauer macht: Ohne Nebenjob kommt er nur knapp über die Runden.
Er ist italienischstämmig, spricht perfekt Schweizerdeutsch, und er ist ein junger Flight-Attendant bei der Swiss. Dieser Beruf ist kein Zuckerschlecken, wie der Mann erklärt: Er sei oft vier bis sechs Tage am Stück in der Luft, es gehe nach Miami, Los Angeles, wohin auch immer – lange Strecken mit viel Zeitverschiebung und kurzer Erholungsphase.
Seinen Beruf liebt der junge Mann trotzdem. «Wir machen das, weil wir unseren Lifestyle lieben», sagt er. Ein solcher Mitarbeiter ist Gold wert für eine Firma, die von der Dienstleistungs-Bereitschaft lebt. Damit kann sich die Swiss von der weltweiten Konkurrenz abheben. Umso mehr ist der Mann enttäuscht, dass die Swiss ihm dieses Jahr die Gratifikation von rund 2000 Franken streicht, wie er gegenüber 20 Minuten Online erklärt.
16 Millionen gespart, Riesen-Schaden angerichtet
Ausgerechnet die Loyalität und Verbundenheit mit der Arbeitgeberin gerät wegen einer kleinen Sparmassnahme unter Druck. Das Swiss-Management hat trotz guter Zahlen und ausgebuchter Flieger entschieden, die Weihnachts-Gratifikation zu streichen. Diese betrug in den letzten vier Jahren bis zu 2000 Franken pro Mitarbeiter, macht hochgerechnet knapp 16 Millionen im Jahr. Statt eines Zustupfs fürs Christfest gibt es diesmal ein Brett zum Käse- oder Schokolade-Schneiden.
Die Nachricht vom «Brettli» bewegt die Gemüter. Nachdem 20 Minuten Online einen entsprechenden Artikel veröffentlicht hatte, hagelte es Kommentare. Die meisten stammten von aufgebrachten Swiss-Mitarbeitern. Bis am Montagabend kamen gegen 300 Meinungsäusserungen zusammen.
Klagen auf hohem Niveau oder ein Affront?
Das sei Klagen auf hohem Niveau, finden einige Kommentatoren; andere finden, durch die Brett-statt-Geld-Aktion werde die teure Swiss-Image-Kampagne von diesem Jahr hinfällig. Und eine Ex-Mitarbeiterin schreibt auf 20 Minuten Online: «Die Swiss-Teppichetage interessiert sich nur für eines: Geld! Das ganze Blabla, ‹wir danken für eure Mitarbeit und haben unseren Erfolg nur euch zu verdanken›, inklusive dem Käsebrett könnten sie sich sparen. Was wirklich interessiert, sind faire Arbeitsbedingungen und Entlöhnung.»
Das Swiss-Management wird sich kaum vorgestellt haben, dass wegen der ausbleibenden Weihnachts-Gratifikation die Diskussion um die teilweise tiefen Löhne bei der Airline in der Öffentlichkeit stattfindet. Nun aber sehen sich die Swiss-Chefs dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie ihr Personal wie eine Zitrone ausquetschen.
45 000 Franken Jahreslohn
Er verdiene rund 3700 Franken im Monat, erklärt der Flugbegleiter. Das ergibt einen Jahreslohn von knapp 45 000 Franken. Hinzu kommen zwei «Gratis»-Flüge im Jahr, bei denen nur die Abgaben und Steuern zu bezahlen sind. Weil dabei Stand-by (sozusagen Fliegen auf Abruf) geflogen werden muss, ist dieses Geschenk von beschränktem Wert.
Den 45 000 Franken stünden zudem hohe Anforderungen gegenüber, die ein Flight-Attendant erfüllen müsse, um nicht auf der untersten Hierarchie-Stufe stehenzubleiben, erklärt der Flight-Attendant. Neben drei Sprachen seien dies ein regelmässiger Belastungs-Check, Schwimmkenntnisse, eine jährliche Eignungsprüfung, adrettes Äusseres. Schafft jemand den Sprung zum Maître de Cabine, könne das Jahressalär zwar bis auf 96 000 Franken steigen – dies aber erst nach 20 Dienstjahren. Ohne Karrieresprung liege das Maximum bei rund 70 000 Franken.
In der unteren Einkommenshälfte
Mit diesen Löhnen liegen die Swiss-Flugbegleiter in der Schweiz tatsächlich in der unteren Einkommenshälfte. «Die Swiss holt einen Preis nach dem anderen, und das nicht zuletzt dank dem guten Service in der Kabine», meint der Mitarbeiter. Dass der Dank von oben lediglich ein Käsebrettli sei, enttäuscht ihn. Wertschätzung sehe anders aus. Sein Lohn reiche nicht zum Leben. «Würde ich nicht ab und zu im Gastgewerbe jobben, käme ich nicht über die Runden», sagt der Flight-Attendant.
«Zurück zum Absender», sagen sich deshalb viele Swiss-Angestellten und schicken das Brett ans Swiss-Top-Management. Dort reibt man sich dieser Tage die Augen ob des angerichteten Image-Debakels.